Allgemeine Lage

In Backnang wurde schnell bekannt, dass das 337. Regiment der 100. amerikanischen Infanteriedivision bei geringsten Widerstand alles mit Jagdbombern und Artillerie zusammenbombt. Backnang sollte seine letzten Truppen aufbringen, aber die Moral war miserabel. Sie hatten zwar genug Munition, aber keine Fahrzeuge, mussten Kinderwagen als Munitionstransportmittel verwenden und es waren viele alte Menschen dabei. Sie waren damit klar den Amerikanern unterlegen. Also beschloss die Kreisleitung die Panzersperren nicht zu schließen.

Kompanieführer Coppenrath

Der Direktor des Unternehmens J.F. Adolff und frühere Artillerieoffizier Coppenrath wurde zum Kompanieführer des 2. Bataillons im Stadtteil Ost des Volkssturms, der am 5. November 1944 aufgerufen wurde, bestellt. Da diese Kompanieführer nach parteipolitischen Gesichtspunkten gewählt wurden, wurde er den Parteileuten (Unteroffiziere oder Feldwebel) gleichgestellt und sogar untergeordnet. Wegen seiner ungenügenden politische Zuverlässigkeit und wegen Misstrauen. Mit der Begründung, er war Parteigenosse, aber ehemaliger Freimaurer und durch eines Gaugerichtbeschlusses von der Übernahme eines Amtes in der NSDAP auf Lebenszeit ausgeschlossen.

Coppenrath
Coppenrath.

Mitte November war der Volkssturm durchorganisiert. In Kreisen der ehemaligen Arbeiterführung erkannte man schon seit Anfang des Volkssturmes das es möglich sei, aus diesem Volkssturm eine Widerstandsgruppe gegen die Naziführung zu gründen. Coppenrath wurde durch eine Mitarbeiterin, Marie Mähler, in Verbindung mit Franz Hopfensitz und Eugen Wohlfarth gebracht. Sie beschlossen schließlich diese Widerstandsgruppe zu bilden, mit Wort und Tat vorzugehen.

Dies war natürlich sehr vertraulich und streng geheim. Sie trafen sich immer wieder, unter der Gefahr entdeckt zu werden und damit ihr Leben zu lassen. Sie beschlossen durch Gewinnung von Vertrauensmännern in den einzelnen Gruppen und Zügen den aktiven Teil des Volkssturms dem Einfluss der Nazis zu entziehen und die Stadt den Amerikanern kampflos zu überlassen um Schäden zu verringern.

Die Parlamentäre Munz und Krimmer

Kurz vor dem 19. April wurde Fritz Munz, ein 42-jähriger Schreinermeister und Unteroffizier Hermann Krimmer dem Panzervernichtungstrupp zugeteilt. Krimmer und Pfizenmaier erhalten den Auftrag sich mit Oppenweiler in Verbindung zu setzen und vom Ortsgruppenleiter den Lagebericht zu holen. Sie trafen die Ortsgruppenleiter von Spiegelberg und Sulzbach. Es machte sich Aufregung breit, denn die Stadt sollte ihrem Schicksal überlassen werden, jeder wollte sich in Sicherheit bringen, der Zug St. sollte den Rückzug decken.

Fritz Munz
Fritz Munz.

Um Mitternacht wurden sie zu Alarmbereitschaft geweckt. Fritz Munz und Hermann Krimmer verständigten sich kurz und machten sich auf den Heimweg, mit der einfachen Begründung, dass sie noch mal schnell weg müssten. Vorsichtshalber nahmen sie den Fliegerhallenschlüssel mit, denn dort waren die Panzerfäuste gelagert. Sie wollten verhindern, dass jemand an die Waffen kommt. Die zweite Kompanie der Widerstandsgruppe hat auf die Waffenbeschaffung großen Wert gelegt. Es sollten möglichst viele Waffen dem Volkssturm entzogen werden, damit sie keine Waffen mehr zum kämpfen haben. Die Widerstandsgruppe versteckte und vernichteten sogar die eingesammelten Waffen.

Krimmer und Munz erfuhren, dass die Brücken gegen vier Uhr gesprengt werden sollten. Sein Vater berichtete, dass seit Wochen alles mit rechten Dingen zu ging, doch an diesem Tag hat er Besuch von Coppenrath bekommen, die Sulzbacher Brücke soll gesprengt werden, die Kreisleitung baut ab. Die beiden machten sich schließlich auf den Weg zu Franz Hopfensitz, wo sich auch Eugen Wohlfarth aufhielt. Sie besprachen gemeinsam die Lage. Wären die Informationen über die Kreisleitung und die Sprengung falsch, so könnten voreilige Entscheidungen ihr Leben kosten.

Bei Munz und Krimmer war jedoch die Situation noch viel schlimmer, sie waren fahnenflüchtig. Sie entschlossen sich, da die Brücken noch nicht gesprengt waren, sich mit den Amerikanern in Verbindung zusetzten. Diese Entscheidung ist die abenteuerlichste von allen Möglichkeiten, die sie hatten, aber sich zu verstecken oder zum Volkssturm zurückzukehren wollten sie auf keinen Fall, denn verstecken wäre feige und die Rückkehr zum Volkssturm würde Verrat und damit Tod bedeuten.

Weg der Parlamentäre
Weg der Parlamentäre.

Also radelten sie auf ihren Rädern nach Oppenweiler. Um eventuell aufkreuzende deutsche Patrouillen nicht aufzufallen, trugen sie ihre Wehrmachtsuniform mit dem Volkssturmband am Mantelärmel. Sie kamen ohne weitere Zwischenfälle dort an, sie mussten jedoch die eine oder andere Sperre umfahren. In der Stadt selbst ist Stille, sie trafen einen Leutnant und einen Landser. Sie bekamen von ihnen die Information, dass die Amerikaner in Sulzbach sind. Sie radelten daraufhin weiter, Hermann Krimmer überquerte die Lauterbachbrücke, doch dann passierte es, ein Höllenlärm hinter ihm. Teile flogen durch die Gegend, eine riesige Qualmwolke erhob sich. Krimmer rief nach Fritz Munz, Stille, doch dadurch, dass es dunkel war konnte Krimmer nicht erkennen oder die gefundene Leiche identifizieren. Er beschloss, da nicht mehr viel Zeit blieb, ohne Munz weiter zu fahren.

Schließlich kam er in Sulzbach an. Kaum angekommen wurde er nach Spiegelberg weitergeschickt, dort sollten sich die Amerikaner aufhalten. Mit einem weißen Tuch in der Hand wurde er bei Lautern von den Amerikanern friedlich aufgenommen. Er gab sich sofort als Parlamentär zu erkennen. Ein Anruf und weinige Minuten später war er in Spiegelberg.

Die Verständigung war anfangs sehr eingeschränkt, in Spiegelberg hatte sich dies jedoch gebessert. Wieder einige Telefonate später saß Krimmer im Regiments-Gefechtsstand. Dort wurde er genauestens über seine Aufgabe und sein dortiges Auftreten ausgefragt. Später kam er zu einem deutschsprachigen Offizier. Krimmer konnte sich nun nach Vorweisen der Wehrpasses und Volkssturmausweises als Parlamentär beweisen. Er verlangte nach einer Karte und berichtete, dass Backnang feindfrei ist. In der Karte zeichnete er die genauen Standorte der Minen, Sperren aller Art, Brückensprengungen und Orte mit Widerstandsverdacht ein.

Nach einigen Formalitäten waren die Amerikaner mit Krimmer in Sulzbach angekommen. Bevor sie nun nach Backnang weiter rückten, wurde vorher nochmals gewarnt, wenn Backnang den geringsten Widerstand leisten würde, würde die Stadt in Trümmer gelegt werden. Die Amerikaner machten sich schließlich auf den Weg Richtung Backnang. Krimmer wurde der Spitzengruppe zugeteilt. An der Lauterbrücke angekommen, konnte Krimmer endlich seinen Kameraden Fritz Munz erkennen. Er ist auf ein Mine gefahren und für seine Stadt gestorben.

Da die Kameraden Munz und Krimmer immer noch nicht in Backnang zurück waren und Coppenrath nicht wusste was geschehen war, fuhr nochmals Robert Pantle als Parlamentär los. Er begegnete in Sulzbach den Amerikanern. Angekommen, musste Pantle, wie Krimmer, zu einem Kommandanten. Auch Pantle beantwortet die Fragen genau und zeichnete wichtige Stellen in die Karte ein. Zudem überreichte er von Coppenrath einen Zettel. In diesem stand, dass Backnang feindfrei ist, die Brücken gesprengt und Backnang nicht verteidigt wird. Die Amerikaner zogen weiter. Nach Strümpfelbach wurden sie plötzlich kurzzeitig von Artillerie beschossen. Doch es besteht keine Gefahr für die Amerikaner, die Schüsse flogen alle zu weit.

Schließlich ist es geschafft. Die Amerikaner marschierten am 20. April, wenige Minuten nach halb eins am Nachmittag in Backnang ein. Zuvor machten sie beim Waldhorn eine kleine Rast. Coppenrath und Bruder kamen ihnen entgegen. Gemeinsam waren sie einmarschiert und Bruder führte sie schließlich zum Rathaus, wo die friedliche Übergabe der Stadt vollbracht wurde. Doch sie mussten noch auf den Bürgermeister Rienhardt warten, der bei der Metzgerei Sauer zum Mittagessen eingekehrt war. Die Bevölkerung war froh, dass ihre Stadt nicht in Trümmer gelegt wurde und manche begrüßten die Amerikaner mit Schnaps und Most. Es sollte 40 Jahre dauern bis Krimmer und Munz für die Rettung der Stadt geehrt wurden.

Ehrung der Parlamentäre 1985

Am Vorabend des 8. Mai 1985, also 40 Jahre nach Kriegsende, hielt Ex- Oberbürgermeister Martin Dietrich eine Rede. Sie enthält, wie sich Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg verändert hat, zudem wurden die Parlamentäre geehrt. Da es um die beiden Parlamentäre Fritz Munz und Hermann Krimmer geht, wurde die Rede gekürzt und konzentriert sich nur auf diese beiden Personen:

„[..] Die letzten Tage des Krieges in unserer Stadt sind aufs engste verbunden mit zwei Namen: Fritz Munz und Hermann Krimmer. Fritz Munz hat seine Bereitschaft, als Bote für seine Vaterstadt zu wirken, um sie vor der Zerstörung zu bewahren, mit dem Leben bezahlen müssen. Seine Kinder sind heute Abend hier anwesend, ich möchte sie herzlich begrüßen, auch seinen noch lebenden Bruder, Studiendirektor R. Munz. Hermann Krimmer ist persönlich anwesend. Darüber freuen wir uns außerordentlich und begrüßen ihn ganz herzlich. Ich möchte zur Erinnerung an den heutigen Abend den beiden Männern, die ganz wesentlich dazu beigetragen haben, dass Backnang nicht noch in den letzten Kriegstagen das Schicksal anderer benachbarter Städte und Gemeinden erleiden musste, herzlich in Namen der Bürgerschaft danken. Vielleicht nehmen wir, dass es so gut ging in Backnang, wie es gegangen ist in den Tagen um 20. April 1945, zu selbstverständlich. Es war keineswegs selbstverständlich. Eine Person, eine unbedachte Handlung konnten Zerstörung eines Gemeinwesen bedeuten.

Mit denen, welche die weiße Flagge zeigen wollten, wurde damals kurzer Prozess gemacht. Pistolenkugeln waren immer noch genügend da, auch wenn sonst die Waffen knapp geworden waren. Bäume zum Aufhängen auch. Der volle Einsatz des Lebens war für Hermann Krimmer und Fritz Munz gefordert, als sie den Amerikanern mit ihren Fahrrädern entgegenfuhren. Fritz Munz hat sein Leben dabei verloren. Sie, verehrter Hermann Krimmer, bekamen Ihr Leben und das Ihrer Mitbürger nochmals neu geschenkt.

Unserer Dankbarkeit möchte ich an diesem Abend und auch zu Erinnerung an diesen Abend mit einem Bildgeschenk der Stadt Backnang Ausdruck verleihen, das ich ihnen, lieber Herr Krimmer, überreichen darf, es stammt aus der Hand eines jungen Backnanger Künstlers und ist das erste Bild einer neuen Serie. Ihnen, Herr Friedrich Munz, darf ich zusammen mit Ihren Geschwistern ebenfalls ein Bild, das zweite aus der Serie, überreichen zum Zeichen dafür, dass wir auch heute noch in Backnang – 40 Jahre danach – dankbar des Opfergangs Ihres Vaters gedenken.“

Krimmer bei Bildübergabe
Krimmer bei Bildübergabe.

Mit dem Bau des neuen Biegels, wurde Fritz Munz und Hermann Krimmer würdevoll geehrt. Zwei dieser Straßen im „Biegel“ sind nach ihnen benannt, der Hermann-Krimmer-Weg, anbei des Straßenschildes eine Plakette mit der Aufschrift:

Hermann Krimmer *1910 – 1988

Fuhr am 24. April 1945 als Parlamentär den amerikanischen Truppen entgegen um Backnang vor drohender Beschießung zu bewahren.

und der Fritz-Munz-Weg, anbei eine Plakette des Straßenschildes mit der Aufschrift:

Fritz Munz *1903 – 20. April 1945

Starb als er den amerikanischen Truppen entgegenfuhr, um Backnang vor drohender Beschießung zu bewahren.

Fritz-Munz-Weg und Hermann-Krimmer-Weg
Fritz-Munz-Weg und Hermann-Krimmer-Weg.

Achtung, diese Schülerarbeit stellt erste, evt. fehlerbehaftete Versuche wissenschaftlichen Arbeitens dar. Haben Sie das Gefühl, dass Ihre Rechte auf jegliche Weise verletzt worden sind, zögern Sie nicht uns anzusprechen.