Der Krieg endete in Backnang faktisch mit dem Einmarsch der Amerikaner am 20. April 1945. Vor und auch nach dem Krieg brannte es nicht in Backnang, dennoch verbrannten die wichtigen Unterlagen der Unternehmen und auch der Stadt.

Auflistung der Bombardierungen
Auflistung der Bombardierungen.

Im Gegensatz zum Kriegsende, ist es schwer die letzten Kriegstage fest zu machen. Man kann sie beiden ersten verloren Schlachten ansetzten oder erst unmittelbar mit der Flucht der Parteioberen. Ich hingegen möchte den Beginn für die letzten Kriegstage in Backnang auf den 26. März 1945 festlegen, weil an diesem Tag der offizielle Räumungsbefehl herausgegeben wurde.1 Die Kreisfrauenschaftsleiterin war zu diesem Zeitpunkt bereits geflohen. Dennoch wollen fast alle anderen bleiben. Zwei Tage später wurde der Räumungsbefehl wiederholt. An diesem Tag endete dann auch der Schulunterricht.

Räumungsbefehl zu Kriegsende

Nochmals, zwei Tage später, am 30. März 1945 wurde ein Treck gebildet. Dieser sollte täglich 15 Kilometer laufen. Das Ziel war ungewiss, weil es bereits nicht mehr viele Möglichkeiten gab zu fliehen, denn die Feinde standen überall.

Insgesamt war der Treck sehr schlecht organisiert: Für Kranke oder Invaliden konnten keine Wagen angesetzt werden, erst Recht nicht für Schwerkranke. Auch um die Leute, die unterwegs liegen blieben, konnte/wollte sich nicht gekümmert werden. Weil dennoch oder deswegen die Mehrheit der Backnanger bleiben wollte, wurde gedroht, die komplette Versorgung mit Gas, Wasser und Elektrizität einzustellen. Um die Bevölkerung doch noch zum Auszug zu bewegen, wurde auch gesagt, dass in Crailsheim zwei Kompanien Marokkaner stehen würde, die die Frauen vergewaltigen würden, außerdem würde Backnang zerstört werden und deshalb sei es zwingend und notwendig zu fliehen.

In den letzten Wochen lag die SS-Division "Götz von Berlichingen" vor Backnang. Sie konfiszierte fast alle Fahrzeuge. Als die Amerikaner schließlich einmarschierten, erwies es sich als Vorteil, dass die Bevölkerung doch nicht geflohen war, denn ansonsten wäre Backnang komplett zerstört worden.2

Am 1. April 1945 entschied der Kreisleiter, dass niemand zum Flüchten gezwungen werden könne, auch nachdem er Todesdrohungen bekommen hatte(!). Auch an diesem Tag gab es wieder einen schweren Fliegerangriff. Es wurde dazu bestimmt, dass die errichteten Panzersperren „nur im Zusammenwirken mit der Wehrmacht“ geschlossen werden durften.

Weitere Entwicklungen

Weil die Front immer näher nach Backnang rückte, strömen viele Kriegsflüchtlinge durch Backnang, darunter auch viele Soldaten. Alle waren gezeichnet vom Krieg und rechnet jetzt schon mit einem baldigen Ende. Das lag zum Teil an der schlechten physischen sowie auch an der psychischen Lage, in der die Soldaten waren. Dazu kam, dass sie in den allermeisten Fällen unmotorisiert waren.3

Karl Bruder
Karl Bruder, Mitinitiator des Widerstands und Mitglied des Volkssturms, führte ein später veröffentlichtes Tagebuch.

Am 3. April sollte die Hitlerjugend nach Ulm verlegt werden, als allerletztes Aufgebot, doch dagegen sträuben sich viele Eltern, auch weil es mitten in der Nacht geschehen sollte. Von 900 Kindern kamen nur 35 der Aufforderung nach. Trotz des baldigen Kriegsendes wurde immer noch gedroht, die Kinder bei Verweigerung in ein KZ in der Nähe von Bordeaux zu stecken. Auch über Werwolfkommandos wurde gesprochen, doch die meisten Backnanger sprachen sich dagegen aus. Sogar von der HJ und von der Parteiführung wurden diese abgelehnt. Vom Oberkommando wurden diese verharmlost und das Ziel darin gedeutet, die Jugend von schlechten Zielen abzuhalten.

Die Werwolfkommandos sollten einen Guerillakrieg gegen die einmarschierenden, feindlichen Truppen kämpfen und dabei vor allem Sabotageakte begehen. Ein paar Mal gelang ihnen dies, allerdings mussten sie nicht unter den daraus resultierenden Folgen leiden, sondern die Ortsansässigen, die nichts dafür konnten.5

Volkssturm und Widerstand

Gleichzeitig sollte der Volkssturm aufgelöst werden. Kurz darauf kam der Befehl ihn doch nicht aufzulösen, sondern alle, die unmittelbar in Versorgungsbetrieben arbeiteten, oder alle, die politische Leiter oder doppelt unabkömmlich gestellt waren, zu entlassen. Das waren jene, die vor allem kriegswichtige Arbeiten leisteten, zum Beispiel in der Rüstungsindustrie und nicht ersetzt werden konnten. Darüber hinaus wurden die Jahrgänge 1887 bis 1890 nach Hause geschickt und darüber musste ganz genau Buch geführt werden. Damit übernahm die Wehrmacht das Kommando über Backnang.

Kurz darauf wurde auch angefangen Panzersperren zu errichten. Vor allem am oberen Ende der Stuttgarter Straße, an der heutigen Spritnase. Diese Panzersperren hatten jedoch nur einen geringfügigen Nutzen, denn direkt neben der Straße gab es einen Garten, der nur durch einen einfachen Zaun geschützt war. Die ankommenden Truppen mussten deswegen nicht mühsam die Panzersperren abbauen, sondern rollten einfach durch den Garten. Die Mühe hatte nur die Bevölkerung, weil sie die Sperre errichten musste und nach Ankunft der Amerikaner wieder abreißen musste und den Durchgang durch den Garten wieder in Ordnung bringen musste.6

Irgendwann wurde wieder ein Volkssturm aufgestellt. In diesem bildete sich schnell eine Widerstandsgruppe, die unter allen Umständen verhindern wollte, dass mit Backnang das Gleiche passierte wie mit Crailsheim.7 Crailsheim war zur Festung erklärt worden. Das bedeutete, dass die Stadt bis zum letzten lebenden und kriegsfähigen Mann verteidigt wurde. Da allerdings die Amerikaner keine Lust auf einen endlosen Häuserkampf in jeder größeren deutschen Stadt hatten, hatten sie vorher schon erklärt, solche Städte komplett zu zerstören. Das geschah auch mit Crailsheim und war eine Warnung an alle anderen Städte. Vier Tage vor Kriegsende wurde Backnang erstmals Opfer feindlicher Artillerie. Diese rückte in den nächsten Tagen immer näher, dennoch hinterließ sie keine größeren Schäden.8

Letzte Ausgabe des Murrtalbotens, mit dem Durchhaltebefehl
Letzte Ausgabe des Murrtalbotens, mit dem Durchhaltebefehl.9

Einen Tag vor Kriegsende in Backnang sendete Herrmann Göring einen letzten Durchhaltebefehl von München aus. Allerdings gab es einen Stromausfall und deshalb wurde er mitten in seiner Rede unterbrochen. Daraufhin konnte man einen Sender aus dem bereits befreiten Luxembourg empfangen. Dieser verkündete, dass allein in der ersten Hälfte des Aprils 1945 750.000 deutsche Soldaten gefangen genommen wurden.10

Brückensprengungen und Besonderheiten

Noch in den letzten Stunden vor dem Einmarsch der Amerikaner wurden die letzten Akten aus der Parteizentrale verbrannt, aus Angst was geschehen würde, wenn die Amerikaner diese Akten finden würden. Das führte dazu, dass nur ganz wenigen nachgewiesen werden konnte, dass sie „Parteigenosse“ waren. Viele behaupteten hinterher, dass sie niemals mit den Nazis kooperiert hatten, sondern vielmehr Widerstandskämpfer waren.
In diesem Zusammenhang passt auch das Zitat eines amerikanischen Offiziers, der sich wunderte wie denn der Nationalsozialismus funktioniert hätte, wenn denn keine Nazis da waren, sondern nur Widerstandskämpfer.11

Noch an diesem Tag quartierte sich die Wehrmacht in Backnang ein, weil sie alle Brücken sprengen wollte. Die Mehrheit der Bevölkerung war gegen Brückensprengungen. Der Volkssturm unter Leitung Coppenraths wollte dies unbedingt verhindern, denn sie waren von der Sinnlosigkeit überzeugt. Coppenrath war auch führend im Backnanger Widerstand. Sie versuchten das auch zu vermeiden, was aber nur bedingt gelang.

Die Brücke in der Sulzbacherstraße sackte in der Mitte zusammen und konnte schnell wieder befahrbar gemacht werden. Allerdings musste dies die Bevölkerung tun. Eigentlich sollten alle Sprengsätze an der Brücke entfernt werden, aber das wurde durch einen Unteroffizier der Wehrmacht verhindert: Dieser kam zu früh und entdeckte Teile des Volkssturms beim Entfernen der Kabel zum Sprengstoff. Sogleich zwang er sie aufzuhören. Als seinem Befehl keine Folge geleistet wurde, zog er seinen Pistol und feuerte. Leicht verwundet mussten die Männer abziehen. Das Ganze fand in der Nacht vom 19. auf den 20. April statt.12

Panzer auf zerstörter Brücke, Sulzbacherstraße
Panzer auf zerstörter Brücke, Sulzbacherstraße.

Eine weitere interessante Geschichte ist mit der Rettung der Chelmsfordbrücke verbunden: Auch dort waren bereits die Soldaten der Wehrmacht eingetroffen um die Brücke zu sprengen. Geistesgegenwärtig überlegten drei Männer des Volkssturms, was man tun könnte um die Sprengung zu verhindern. Sie beschlossen den Geburtstag des einen Kameraden vorzuverlegen. Also sagten sie noch am selben Tag zu den anderen Soldaten, die mit der Brückensprengung betraut waren, dass ihr Kamerad Geburtstag habe und sie deswegen alle zusammen im Wirtshaus feiern wollten. Die Wehrmachtssoldaten kamen bereitwillig mit, denn arg viel gab es in letzter Zeit nicht mehr zu feiern. Spätabends und mit einigem Alkohol im Blut kehrten sie heim. Sie legten sich schlafen und erwachten erst als die Amerikaner in Backnang einmarschiert waren. Sie wurden kurz vorher noch weggeschickt um einer Bestrafung zu entgehen. Einer kehrte später nochmals zurück und fand dann, dass es gar nicht schlecht war, dass sie die Brücke nicht gesprengt hatten.13

Die Kreisleitung flüchtete überstürzt in der Nacht vom 19. auf den 20. April. Dennoch hatte sie genügend Zeit die Kassen zu leeren und belastendes Beweismaterial zu vernichten.14 Außerdem informierte sie die Bevölkerung, die noch immer in den Bunkern saß, nicht. Sie wurden einfach ihrem Schicksal überlassen. Einige Tage vorher waren schon die Lehrer der NPEA geflohen und hatten fast alles da gelassen u.a. auch Unterrichtsmaterial und kritisch zu betrachtende Bücher.

Zwei Jungen, darunter Erich Bauer, sahen sich die NPEA an und entdeckten schließlich alles. Als sie einen Tag später kamen, war jedoch alles ausgeräumt, die Bücher wiederum entdeckten sie aber auf der Müllkippe. Als sie nochmals einen Tag später auf die Müllkippe gingen, waren die Bücher bereits zugeschüttet. Anscheinend hatte man Angst, was denn die anrückenden Amerikaner dazu sagen würden.15

Amerikanische Soldaten auf zerstörter Brücke in Sulzbacherstraße
Amerikanische Soldaten auf zerstörter Brücke in Sulzbacherstraße.

Bereits in den letzten Kriegsmonaten wurden viele Flüchtlinge aufgenommen, die heimatlos geworden waren oder aus Angst vor Bombardierungen in großen Städte geflohen waren. Da Backnang nur geringe Bombardierungen erlitten hatte, kamen viele Flüchtlinge. Die meisten kehrten kurz nach Kriegsende in ihre Heimat zurück oder wurden in andere Städte gesandt.16

Vom Volkssturm wurden am Morgen des 20. Aprils drei Parlamentäre entsandt: Fritz Munz und Hermann Krimmer. Beide wurden morgens los gesandt um die Nachricht zu überbringen, dass Backnang geräumt sei, um weitere Zerstörungen zu vermeiden. Lange hörte man nichts mehr von ihnen, deswegen sandte man auch noch einen dritten einen Mann genannt Pantle los.

Fritz Munz fuhr mit seinem Fahrrad über eine deutsche (!) Mine und starb. Krimmer jedoch erreicht mehr oder weniger unversehrt die Amerikaner. Froh die Kunde zu hören, nicht um Backnang kämpfen zu müssen, rückten sie alsbald in Backnang ein. Interessant hierbei ist, dass die Initiatoren des Ganzen sich fein zurückhielten und nicht besonderen Anspruch erhoben ihre Heimatsstadt gerettet zu haben, sondern überließen es gewissen „Maulhelden“, sich den Amerikanern gegenüber als Retter aufzuspielen.17

Fußnoten
  1. Zu den letzten Kriegstagen 1945 in Backnang, Hrsg. Adelheid Bruder.
  2. Wer war die Widerstandbewegung vor dem Einmarsch der Amerikaner? Einige Berichte und Tatsachen, Eugen Wohlfahrt.
  3. Die letzten Kriegstage und die Besetzung Backnangs.
  4. Zu den letzten Kriegstagen 1945 in Backnang, Hrsg. Adelheid Bruder
  5. Zu den letzten Kriegstagen 1945 in Backnang, Hrsg. Adelheid Bruder.
  6. Senioren-Kurier Oktober bis Dezember 2005, S. 27-28.
  7. Die letzten Kriegstage und die Besetzung Backnangs.
  8. Geschichtliche Darstellung der letzten Kriegstage, Bürgermeister a. D. Dr. Rienhardt.
  9. Murrtal-Bote vom 17. April 1945.
  10. Zu den letzten Kriegstagen 1945 in Backnang, Hrsg. Adelheid Bruder.
  11. Interview mit Zeitzeugin Iris Hoppe am 4. Juni 2007.
  12. Interview mit Zeitzeugin Iris Hoppe am 4. Juni 2007.
  13. Senioren-Kurier April bis Juni 2005, S. 30
  14. Die letzten Kriegstage und die Besetzung Backnangs.
  15. Wo die Backnanger Seminarbibliothek geblieben ist, Erich Bauer.
  16. Geschichtliche Darstellung der letzten Kriegstage, Bürgermeister a. D. Dr. Rienhardt.
  17. Die letzten Kriegstage und die Besetzung Backnangs.

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