In der Zivilbevölkerung

Schenkt man der Zeitung von damals Glauben, gab es bis auf wenige extremistische Terroranschläge keinen Widerstand. Von der Realität weiß Elisabeth Hartnagel mehr.

„Ich war ca. 10 Tage von Ende Januar bis zum 5. Februar 1943 in München bei Hans und Sophie Scholl in der Franz-Joseph-Straße 13 zu Gast ...

An einem Abend ging Hans mit Alex Schmorell weg, in die Frauenklinik, wie sie sagten. Kurz darauf erschien Willi Graf in der Wohnung ... Sophie machte mir an diesem Abend einen nervösen Eindruck. Wir machten einen Spaziergang im Englischen Garten. Sophie sagte während des Spaziergangs, man müsse etwas tun, zum Beispiel Maueranschriften machen.

,Ich habe einen Bleistift in der Tasche‘, sagte ich.

Sophie: ,Mit Teerfarbe muss man so was machen.‘

Ich: ,Das ist aber wahnsinnig gefährlich.‘

Sophie ablenkend: ,Die Nacht ist des Freien Freund.‘“

In der Zivilbevölkerung allgemein, gab es die unterschiedlichsten Ausprägungen des Widerstands: von Flugblättern und Parolen bis hin zu Streiks und Demonstrationen. Ein großes Problem war, dass man niemandem vertrauen konnte. Selbst innerhalb einer Familie gab es oft Verrat.

Das Deutsche Volk schart sich zuversichtlich um den Führer
Das Deutsche Volk schart sich zuversichtlich um den Führer.

Passiver und nahezu gefahrloser Widerstand war jedoch durch Parolen wie „Arbeitet langsamer“ jedem Arbeiter möglich. Durch das Propagandieren einer politischen Mehrheit in der Arbeiterklasse, schaffte es die Obrigkeit allerdings, Zweifler auf ihre Seite zu bringen, Widerstandskämpfer zu erschüttern und den mithörenden Feind zu schwächen.

Viele Widerstandskämpfer/innen wie Sophie und Hans Scholl bezahlten ihr Engagement mit dem Leben. Sie wurden am 22. Februar 1943 hingerichtet. Flugblätter wurden später auch vom Ausland gedruckt und mit Hilfe von Flugzeugen abgeworfen. Die Soldaten und Arbeiter wurden darin aufgefordert, sich gefangen nehmen zu lassen, zum Feind überzulaufen oder auch nur zu erkennen, was in Deutschland passiert.

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Deutscher Soldat! Die Nazizensur verheimlicht Dir die Wahrheit über die Heimat. Hier ist die Wahrheit! Ein Verzweiflungsruf aus Deutschland: Der Krieg ist uns zuwider, die Arbeit ist uns zuwider. Meine Arbeitskameraden empfinden nur Mitleid mit den Völkern die wir besiegt haben. Die Veröffentlichung von mehr als 15 Namen der an der Ostfront Gefallenen wurde den deutschen Zeitungen verboten. Die Verlustlisten füllten täglich ganze Spalten, was einen deprimierenden Eindruck auf die Bevölkerung machte. Deutscher Soldat! Hitler bildet sich ein, ein großer Feldherr zu sein und zwingt dich, dein Leben zu opfern. Mach Schluss mit dem Krieg! Komm zu uns!

Dieses Flugblatt gilt als Passierschein zum Übergang auf die Seite der Roten Armee.

Das Verhindern der Eisenbahnbrückensprengung in der Stuttgarter Straße muss ebenfalls dem Widerstand der Zivilbevölkerung zugeordnet werden. Laut den Erzählungen von Maria Kübler, kamen am 19. April 1945 drei deutsche Soldaten nach Backnang, die den Auftrag hatten, die Eisenbahnbrücke zu sprengen. Sie trugen stabile Koffer mit sich, die sie vorsichtig behandelten.

Georg Widmann, Otto Koch und Marias Großvater bekamen das mit und täuschten Otto Kochs Geburtstag vor, um mit den Soldaten in die Nacht zu feiern. Da die Soldaten hungrig und durstig waren, tranken sie, was ihnen eingeschenkt wurde (Most und Schnaps). So kam es, dass sie ihren Einsatz am 20. April um 4 Uhr verschliefen und die Brücke nicht gesprengt wurde, da am selben Tag die Amerikaner nach Backnang kamen und die Soldaten fliehen mussten.

In Backnang selbst, gab es laut dem Zeitzeugen Walter Ortloff keinen öffentlichen Widerstand. Die Kontrollen waren sehr scharf und Staatsdiener observierten alle Verdächtigen, die sie noch nicht eingesperrt hatten. Der Widerstand in Backnang während der Kriegszeit, beschränkte sich auf symbolische Handlungen wie z.B. bei Heinrich Peter und natürlich auf gedankliche Freiheit.

Weller wohnte mit seiner Familie im Dachgeschoss des Gasthauses zur Linde, in welchem der Sitz der Kreisleitung der NSDAP Ortsgruppe eingerichtet war. Da Friedrich Weller als Kommunist bekannt war, nannte man das Gasthaus im Volksmund „Braunes Haus mit dem roten Dächle“. Die Familie stand nun unter Beobachtung und ihr Sohn Fritz Weller wurde dazu verpflichtet, NS-Kleidung zu tragen und der Hitlerjugend beizutreten.

Heinrich Peter, Bläser in der zur SA-Kapelle umfunktionierten Stadtkapelle, bekannt als Linker, bekam eine SA-Uniform verordnet, in welcher er bei bestimmten Anlässen musizieren musste. Er schämte sich dafür. Abends hingegen warf er die Uniform zu Boden und sagte zu sich: „So, da liegt der SA-Mann, und der Kommunist geht ins Bett.“

Verhaftungen beim Militär

Neben Deserteuren und Fahnenflüchtigen, die in der Regel erschossen oder als Exempel erhängt wurden, gab es beim Militär auch „Widerstand durch Menschlichkeit“. Das ging von Hilfestellung gegenüber der gegnerischen Zivilbevölkerung, ja sogar unbewaffneten gegnerischen Soldaten bis hin zur Befehlsverweigerung aus moralischen Gründen, welche allerdings selten ohne Konsequenzen verlief.1

Wie in vielen anderen Städten, hat sich der Volkssturm, ursprünglich gebildet um das letzte Gefecht zu schlagen, auch in Backnang zu einer Einheit zusammengeschlossen, die versucht hat Backnang vor Schäden durch die Amerikaner zu bewahren.

Bei den Parteien

Die SPD stimmte 1933 zwar gegen das Ermächtigungsgesetz, als jedoch Wilhelm Erlenbusch seiner Ämter enthoben wurde, konnte man nicht mehr von einem politischen Widerstand sprechen. Robert Ehret und Herrmann Lachenmaier wurden verfolgt und eingesperrt und die SPD verboten. Unsere Zeitzeugen bestätigen ebenfalls, dass während den Kriegsjahren in Backnang keine Parteipräsenz neben der NSDAP vorhanden war.

Bei den Unternehmen

Richard Schweizer

Der Unternehmer der Backnanger Lederfabrik Louis Schweizer versuchte die Politisierung und Ideologisierung von seinem Betrieb fernzuhalten. Er war selbst NSDAP-Mitglied, aber in seinem Betrieb spielte die politische Einstellung keine Rolle.

So ein Schweizer-Mitarbeiter am 22. November 1946:

„Die politische Einstellung spielte für die Herren Schweizer keine Rolle, lediglich nach Tüchtigkeit und Anständigkeit wurde geurteilt.“

So auch Georg Krissler (Bürgermeister von Murrhardt nach 1945) am 7. November 1946:

„[Schweizer habe sich] vollkommen korrekt verhalten und insbesondere uns als Antifaschisten bekannten Arbeiter in jeder Beziehung genau so behandelt wie alle anderen.“

Er stellt 1934 entlassene Arbeiter aus dem KZ Heuberg ein, die wegen ihrer politischen Meinung in keinem anderen Betrieb Arbeit bekamen. Da Schweizers Grundhaltung Tüchtigkeit und Anständigkeit war, widersetzte sich Schweizer die Pg's und SA-Männer zu bevorzugen, trotz Verlangen der nationalistischen Führung. Schweizer bekam 1933 schon eine Verwarnung durch den SA-Sturmbannführer und Sonderkommissar der obersten SA-Führung, Jonetz. Diese Verwarnung war jedoch eher eine Drohung:

„Zu unserem Bedauern haben wir die Feststellung machen müssen, dass seit der Machtübernahme der NSDAP in Ihrem Betrieben Backnang und Murrhardt an Angehörige der SA-Formation [..] von einigen Ihrer Ihnen unterstellten Meister rigorose Anforderungen [..] gestellt werden. Wir erwarten von Ihnen als national eingestellte Firma, dass sie die selben SA-Männer und Führer, die seit Jahren den aufreibenden Kampf für die Deutsche Nation geführt haben, nicht durch marxistischen eingestellt Meister jetzt noch gedrückt werden. [..] wir sind von unseren vorgesetzten Dienststellen energisch darauf hingewiesen worden, dass wir [..] diejenigen sofort zu verhaften haben, die derartige Anweisungen erteilen. [..] Wir hoffen, dass wir nicht gezwungen werden, wegen irgendeinem dieser Punkte vorzugehen.“

Er bekam immer wieder Mahnungen, in dessen Schweizer seine Verhältnisse im Betrieb ändern sollte, was er aber nicht tat. Walter Ortloff, ein Zeitzeuge Backnangs, berichtet zudem über Richard Schweizer. Er hatte auch eine Lederfabrik im Ausland, im Baltikum. Dort beschäftigte er viele Juden, die er beschützte und behütete. Der Betrieb wurde ähnlich wie der in Backnang geführt. Soziale Gleichheit war wichtig, es wurde nach Anständigkeit und Tüchtigkeit gearbeitet.

Das dies der SA-Führung nicht gefällt, war auch wieder klar, sie erkannten diese Betriebsführung nicht an und Drohten abermals. Dadurch, dass er so vielen Juden geholfen und unterstützt hatte, bekam er zu Ehren seiner Verdienste eine Plakette am Backnanger Bürgerhaus, die dort angebracht wurde.

Christian Räuchle

Christian Räuchle, ein angesehener Geschäftsmann in Backnang und ältester Bruder, drückte seinen Widerstand öffentlich aus. Er verweigerte 1933 eine Spende an die NSDAP Backnang und äußerte sich abfällig über die SA. Die SA Backnang, SA-Standartenführer Jonetz und SA-Sturmführer Albert Mürdter, forderte darauf hin die Einweisung ins KZ Heuberg, dies wurde aber nicht vom Landrat genehmigt. Räuchle sollte dies als letzte Verwarnung ansehen, zudem sollte er eine Zahlung an die Winterhilfe leisten und bekam Gruß- und Umgangsverbot für Pg's und SA-Männern. Er galt seitdem als Feind der Partei und wurde 1934 aus diesem Grund von vier SA-Männern körperlich angegriffen.

Fußnoten
  1. Aus „Alte Kameraden“, Hrsg. Joachim Kannicht.

Achtung, diese Schülerarbeit stellt erste, evt. fehlerbehaftete Versuche wissenschaftlichen Arbeitens dar. Haben Sie das Gefühl, dass Ihre Rechte auf jegliche Weise verletzt worden sind, zögern Sie nicht uns anzusprechen.