Gegen Ende des Krieges waren in Deutschland ca. 8 Millionen ausländische Arbeitskräfte beschäftigt. Das entspricht einem Anteil von 20 Prozent. Diese Arbeiter waren vor allem Kriegsgefangene oder Zwangsarbeiter aus den Ländern, die überfallen wurden. Dazu gehören Frankreich, Tschechoslowakei, Polen und die Sowjetunion. Die NS-Führung wollte den Arbeitkräftemangel, verursacht durch die Einberufungen zur Wehrmacht, ausgleichen.

Die Arbeiter mussten häufig unter menschenverachtenden Lebensbedingungen arbeiten und leben. Bei geringsten Vergehen drohten hohe Strafen. Das gesamte Verhalten gegenüber den Arbeitern war durch und durch von rassistischem Hintergrund durchzogen. Sowjetische Zwangsarbeiter waren „noch rechtloser als die Polen“ und am „minderwertigsten“.1 Außerdem waren sie meistens so stark geschwächt, dass sie „vor Hunger umfielen“.

Den deutschen Arbeitern wurde aufgetragen, dass sie keine Solidarität zu den ausländischen Zwangsarbeitern zeigen sollten. Vor allem Frauen und Kinder sollen sich von Zwangsarbeitern fernhalten:

„Ganz besonders aber müssen wir erwarten, dass unsere Mädchen sich dessen bewusst sind, dass sie sich gegenüber den französischen Kriegsgefangenen einwandfrei zu verhalten haben. Jede Annäherung [..] zieht die allerschärfsten Strafen nach sich.“2

Mit dem Fortschreiten des Krieges wurden die Zwangsarbeiter immer unentbehrlicher, weil die einheimischen Männer zur Wehrdienst abgezogen wurden. So trauten sich die Zwangsarbeiter auch immer mehr und beschwerten sich häufiger über Ungerechtigkeiten. Gleichzeitig wurde das deutsche Aufsichtspersonal angewiesen mehr Aufsicht zu leisten, denn durch die nahende Niederlage, sind Sabotageaktionen durch die Zwangsarbeiter immer wahrscheinlichen geworden. Angesichts der drohenden Niederlage und Angst vor befreiten Zwangsarbeitern, wurden allerdings viele Vorschriften von den Betriebsaufsehern nicht befolgt.3

Das Thema der Zwangsarbeiter wird nur ungern angesprochen. In Backnang sollen etwa 1.000 Zwangsarbeiter gelebt und gearbeitet haben.4 Diese waren in Baracken oder in privaten Häusern untergebracht, z.B. in der Gartenstraße 160 oder der Eugen Adolff Straße 130 (bei beiden war der Vermieter die J. F. Adolff AG).5 Die Baracken wurden nach dem Krieg als Unterkünfte für Flüchtlinge benutzt. In den Gerbereien wurden nur männliche Zwangsarbeiter eingesetzt, vor allem aus der Sowjetunion.

Zwangsarbeiter in den Unternehmen

In den Backnangern Unternehmen waren weniger ausländische Arbeitskräfte (u.a. auch Zwangsarbeiter) beschäftigt, als in manchen anderen Firmen7, wie z.B. Firma Salamander oder Carl Freudenberg (vgl. dazu die Abbildung 1). Das rechtfertigt oder mildert die Beschäftigung von Zwangsarbeitern allerdings nicht.

Anteil von ausländischen Arbeitern bei den Firmen Freudenberg, Salamander, Schweizer und Kaess. Angaben in  Prozent.
Anteil von ausländischen Arbeitern bei den Firmen Freudenberg, Salamander, Schweizer und Kaess. Angaben in Prozent.6

Einige Zwangsarbeiter sind bei den Angriffen der Amerikaner am Ende des Krieges ums Leben gekommen. Sie durften sich nicht in Luftschutzkeller in Sicherheit bringen. Auf dem Stadtfriedhof kann man heute noch einige der Gräber sehen (Abbildung 2).

Stadtfriedhof Backnang. Einige der hier gezeigten Gräber gehören Zwangsarbeitern
Stadtfriedhof Backnang. Einige der hier gezeigten Gräber gehören Zwangsarbeitern.

Firma Schweizer

Bei der Firma Schweizer betrug der höchste Anteil an Zwangsarbeitern 8 Prozent (1942). Die Zwangsarbeiter waren in Murrhart in einem Privathaus untergebracht. Wie berichtet wird, war die Behandlung der Zwangsarbeiter gut. So berichtet ein Franzose im Jahr 1942:

„Ich möchte von Ihrer Fabrik nicht fortfahren, die ich mit Bedauern verlasse, ohne Ihnen einen Beweis meiner Anerkennung zu geben für die gute Betreuung, die Sie mir und meinen Kameraden angediehen ließen. Ich werde woandershin versetzt! Wer weiß, ob die Leute, wo ich hinkomme auch so angenehm sein werden, wie bei Ihnen, wo es uns an nichts mangelte. Meine Kameraden vereinen sich mit mir, um Ihnen mit unseren besten Grüßen die Zeichen unserer Dankbarkeit darzubringen.“8

Die Firma war daran interessiert, dass es den Zwangsarbeitern gut geht, denn davon hing die Produktivität ab.

Die Firma hat sich auch bemüht Verhaftungen wegen Verstößen zu verhindern, denn dann wäre der entsprechende Zwangsarbeiter höchstwahrscheinlich ins KZ gekommen. So listete die Firma Namen von holländischen Zwangsarbeitern (sie waren von ihrem Urlaub in Holland (!) nicht zurückgekehrt) weiter auf, obwohl sie geflohen waren. Jedoch gab es eine Ungleichbehandlung: die Zwangsarbeiter bekamen ca. 20 Prozent weniger Lohn als die deutschen Arbeiter.9

Firma Carl Kaess

Bei der Firma Kaess wurden 1943 50 Zwangsarbeiter beschäftigt, das sind etwa 17 Prozent aller Arbeiter. Bei Kaess wurden die Zwangsarbeiter meistens in städtischen Lagern untergebracht.

Auch Carl Kaess konnte verschiedene Erklärungen vorweisen, die belegen, dass seine Firma die Zwangsarbeiter gut behandelt habe. Jedoch widersprechen dem einige mündliche Aussagen der Zwangsarbeiter. Kaess soll im Umgang mit Zwangsarbeitern unfreundlich gewesen sein. Die Behandlung war weitaus schlechter, als bei vergleichbaren Firmen wie Louis Schweizer. Er soll dem Lagerarzt des Backnanger Zwangsarbeiterlagers gedroht haben, dass er ihn anzeigt, wenn er weiterhin den kranken Zwangsarbeitern Arbeitsunfähigkeit bescheinigte.10 Der Unternehmer war nationalsozialistisch gesinnt und dementsprechend hat er auch die bei ihm beschäftigten Zwangsarbeiter behandelt.

Firma Kaelble

Da Kaelble mit der „Organisation Todt“11 zusammengearbeitet hat, war es für ihn wahrscheinlich kein Problem an „spottbillige und rechtlose“ Zwangsarbeiter ranzukommen. Denn die „Organisation Todt“ (siehe im Kapitel „Backnanger Unternehmen während des Nationalsozialismus“ unter Kaelble: „Hintergrund: Organisation Todt“) verfügte bis 1944 über 1,36 Millionen Zwangsarbeiter, die an Bauprojekten schuften „durften“. Kaelble soll nachweislich mindestens 40 Zwangsarbeiter beschäftigt haben.12 Die Dunkelziffer ist wohl wesentlich höher.

Die Beschäftigung von Zwangsarbeitern wird in keiner Biografie oder Chronik des Backnanger Ehrenbürgers und Trägers des großen Verdienstkreuzes Carl Kaelble erwähnt.

Firma Adolff

Es ist bekannt, dass die Firma Adolff Zwangsarbeiter beschäftigt hatte (vgl. Abbildung 3). Diese Einwohnermeldekarte ist nur beispielhaft aufgeführt. Natürlich hatten Zwangsarbeiter, die bei anderen Unternehmen beschäftigt waren, auch solche Karten.

Einwohnermeldekarte von Jules Decamps
Einwohnermeldekarte von Jules Decamps. 13

Der Abbildung 3 kann man entnehmen, dass Decamps ein französischer Kriegsgefangener war und bei der Firma Adolff als „Spinnereiarbeiter“ beschäftigt war. Er war in der Eugen-Adolff-Straße 130 in einer Baracke untergebracht. Am 17. Juli 1943 ist er dort eingezogen und am 16. August des selben Jahres musste er Backnang verlassen und nach Ludwigsburg gehen. Das weitere Schicksal ist nicht bekannt.

Adolff hatte viele Zwangsarbeiter beschäftigt.14 Sie waren meist in Baracken untergebracht, z.B. in der Gartenstraße 160 oder Eugen-Adolff-Straße 160.15 Die Baracken, die sich auch auf dem heutigem Sportplatz nahe des Discounters Aldi entlang der Murr befanden, wurden nach dem Krieg als Unterkünfte für Flüchtlinge genutzt. Später wurden sie abgerissen.

Zwangsarbeiter in der kleinräumigen Landwirtschaft16

Zwangsarbeiter wurden auch in der kleinräumigen Landwirtschaft eingesetzt. Dort verrichteten sie meist die Arbeit die normalerweise von den sich im Krieg befindlichen Männern verrichtet werden müsste. Sie wurden dann meist in dem Haus untergebracht, in dem sie auch arbeiteten. Sie aßen nicht selten am gleichen Tisch wie die Hauseigentümer.

Manchmal kam es dann auch dazu, dass sich die Zwangsarbeiter mit den einheimischen Deutschen anfreundeten und von ihnen überdurchschnittlich gut behandelt wurden. Man hatte auch Mitleid mit ihnen.

Der Bevölkerung wurde oft erzählt, dass sich vor allem Frauen von männlichen Zwangsarbeitern fernhalten sollten, da eine „Rassenvermischung“ verhindert werden soll. In manchen Fällen, vor allem gegen Ende des Krieges, kam es dann doch anders: ein Zwangsarbeiter schwängerte eine Deutsche. Natürlich war das verboten, und musste deswegen auch geheim gehalten werden. Falls die überzeugten Nationalsozialisten das rausbekämmen, dann würde der Zwangsarbeiter (zusammen mit der Schwangeren) sicherlich verurteilt und hingerichtet werden.

Zwangsarbeiter in der Rüstungsindustrie

Nach dem Überfall Nazi-Deutschlands auf die Sowjetunion, mussten 136 sowjetische Zwangsarbeiter für die Backnanger Rüstungsindustrie arbeiten. Sie wurden im „Engelsaal“ untergebracht.17 Genaure Angaben über Beschäftigung und die betroffenen Firmen ließen sich aus der Quelle leider nicht ermitteln.

Fußnoten
  1. Petra Bräutigam: Mittelständische Unternehmen im Nationalsozialismus, Verlag: Oldenbourg, S. 233 ff.
  2. Petra Bräutigam: a.a.O. S. 243.
  3. Petra Bräutigam: a.a.O. S. 243 ff.
  4. Broschüre: Backnang im 3 Reich, S. 22.
  5. Einwohnermeldekarte der Stadt Backnang, Stadtarchiv Backnang.
  6. Petra Bräutigam: a.a.O. S. 235.
  7. Petra Bräutigam: a.a.O. S. 235.
  8. Petra Bräutigam: a.a.O. S. 239.
  9. Petra Bräutigam: a.a.O. S. 240.
  10. Petra Bräutigam: a.a.O. S. 239.
  11. Mehr dazu im Kapitel „Backnanger Unternehmen während des Nationalsozialismus, Hintergrund: Organisation Todt“.
  12. Broschüre: Backnang im 3. Reich, S. 23 ff.
  13. Einwohnermeldekarte der Stadt Backnang, Stadtarchiv Backnang.
  14. Das zeigen die Recherchen einer anderen Gruppe im Stadtarchiv Backnang.
  15. Einwohnermeldekarte der Stadt Backnang, Stadtarchiv Backnang.
  16. Interview: Iris Hoppe am 8. Juni 2007.
  17. Gewerkschaftlicher Stadtrundgang (6. Station) vom Ortskartell Backnang.

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