Inhaltsverzeichnis
- Über die Politische Kultur
- Geschichtlicher Hintergrund der Bürgermeister Rienhardt und Hörger
- Politische Entwicklungen nach der Übernahme durch die Alliierten
- Zusammenbruch des Dritten Reichs und dessen Folgen
- Provisorische Beiräte
- Das Treffen der Landräte
- Weg vom Nationalsozialismus, hin zur Volksdemokratie
- Neue Bürgermeister und Landräte ab Juni 1945
- Gründung des offiziellen Beirats
- Die Rolle der Parteien
- Die ersten demokratischen Wahlen nach Kriegsende
- Literatur- und Quellenangabe
Über die Politische Kultur
Politische Kultur ist die Summe aller denkenden, emotionalen und beurteilenden Einstellungen bezüglich politischer Fragestellungen, insbesondere Einstellungen zur generellen Ordnung und Organisation des politischen Systems. Die politische Kultur eines Staates oder von Teilen seiner Bevölkerung kann verschiedene Formen annehmen. Sieht die überwiegende Mehrheit eine Demokratie als politische Ordnung an, ist die politische Kultur als „demokratisch“ zu bezeichnen. Dabei ist zu beachten, dass mehrere Formen demokratischer politischer Kultur denkbar sind.
Wenn politische Kultur und politische Ordnung eines Staates deutlich und langfristig auseinanderdriften, kann das zu schwerwiegenden Legitimationsproblemen des Staates und damit zu einer instabilen Lage führen. Außerdem hat die Politische Kultur große Auswirkungen auf die Integration und Partizipation aller Gesellschaftsmitglieder, welches man auch während des Zweiten Weltkrieges an der Verfolgung von Minderheiten sah. Demnach beinhaltet die politische Kultur einen stilvollen und moralischen Umgang mit der politischen Macht, der entweder gebilligt wird oder einem abgesprochen werden kann.1
Geschichtlicher Hintergrund der Bürgermeister Rienhardt und Hörger
Dr. Albert Rienhardt (*1877; †1953) war während der NSDAP Herrschaft in Backnang amtierender Bürgermeister. Trotz der Entnazifizierungsregeln der Alliierten ließen ihn die Amerikaner, nach ihrem Einmarsch in Backnang, im Amt.
Er wurde im Jahr 1921 das erste Mal in Backnang zum Bürgermeister gewählt und erreichte bei seiner Wiederwahl am 7. Juni 1931, 71,5 Prozent der Stimmen.2 Dabei hatte er die Unterstützung der Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), der Zentrumspartei (Zentrum oder Z), der Deutschen Demokratischen Partei (DDP), der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) und der Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP). Als Kontrahenten hatte er den kommunistischen Landtagsabgeordneten Karl Schneck.
Rienhardt war zwar 1926 aus der DDP ausgetreten, dadurch auf dem Papier parteilos, konnte aber trotz dessen die nationalsozialistische Machtergreifung unbeschadet überstehen. Möglich wurde ihm dies einerseits durch eine gute Freundschaft zum NSDAP-Gauleiter (Gau = Bezirk) von Württemberg, Wilhelm Murr, und andererseits durch seine ausgezeichneten Kontakte zur alten württembergischen Verwaltung. Rienhardt wurde am 20. Juli 1933 vom NS-Regime sogar zum Bürgermeister auf Lebenszeit ernannt.3
Im Januar 1935 wurde reichsweit die neue Deutsche Gemeindeordnung (DGO), eingeführt. Diese stärkte Rienhardts Stellung zusätzlich, da die DGO, die vom Gemeinderat wahrzunehmenden Aufgaben, die Gemeinde nach außen hin zu vertreten und verwalten, an den Bürgermeister übertrug. Die Gemeinderäte wurden in Ratsherren umbenannt und hatten nur noch eine Beraterfunktion.4 In der Bevölkerung genoss Rienhardt zu dieser Zeit noch gutes Ansehen, das er durch soziales Handeln erlangte. Dieses Ansehen sank mit Beginn der Besatzung Backnangs.
Wilhelm Hörger (*1879 in Lauffen am Neckar), später Backnanger Bürgermeister, war ein guter Freund Rienhardts und arbeitete bis Ende 1943 im Polizeiverwaltungsdienst. Er wurde dann von Rienhardt für die Dauer des Krieges zum stellvertretenden Stadtpfleger ernannt. Es wurde ihm die Leitung der ganzen Stadtpflege zugesprochen. Somit musste er sich um die Stadtwerke, die Friedhofs- und um die Liegenschaftsverwaltung kümmern.5
Die Liegenschaftsverwaltung umfasst die Verwaltung und Betreuung der im Besitz der Stadt und ihrer Tochtergesellschaften befindlichen Amts-, Büro- und Geschäftsgebäude und der städtischen Wälder sowie sämtliche mit der Instandhaltung, dem Aus- und Umbau bzw. Neubau dieser Objekte zusammenhängende Arbeiten.
1937 traten Rienhardt und Hörger dann schließlich in die NSDAP ein, da zuvor eine parteiinterne Aufnahmesperre galt. Die restliche Zeit von Hitlers Diktatur verweilte Rienhardt in Backnang als Bürgermeister.
Politische Entwicklungen nach der Übernahme durch die Alliierten
Als sich die Alliierten im Herbst 1944 den Reichsgrenzen genähert hatten, wurden auch die in Backnang verbliebenen wehrdienstfähigen Jugendlichen und Erwachsenen zwischen 16 und 60 Jahren zum Volkssturm versammelt. Die ehemaligen Mitglieder der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), Franz Hopfensitz und Eugen Wohlfarth sowie der an sie herangetretene Kompanieführer der 2. Volkssturmkompanie Richard Coppenrath hatten sich zum Ziel gesetzt, den Backnanger Volkssturm im Verteidigungsfalle den Befehlen der nationalsozialistischen Partei zu entziehen um Backnang kampflos und möglichst unbeschadet den Amerikanern übergeben zu können.
Coppenrath war 1943 wegen Magenleidens aus der Armee entlassen worden nachdem er zuletzt in Russland an der Front gestanden hatte. Früher war er Freimaurer, „politisch unzuverlässig“ und wurde trotz der Mitgliedschaft bei der NSDAP per Gerichtsbeschluss von der Übernahme eines Amtes auf Lebenszeit ausgeschlossen.6
Am 18. April 1945 gelangte die 100. Infanteriedivision an die nördlichen Grenzen des Kreises Backnang. Am selben Morgen begaben sich Coppenrath, Wohlfarth und Bruder7 taschentuchschwenkend in Richtung der anrückenden Amerikaner, welche am 21. April 1945, ohne weiteren nennenswerten Widerstand, Backnang eroberten.8
Einen Tag später wurde Wohlfarth dann zur Mitarbeit auf dem Backnanger Wohnungsamt aufgefordert, was durch seinen Einsatz zur kampflosen Übergabe von Backnang an die Amerikaner möglich wurde.
Am 23. April 1945 wurde Hörger, mit der Zustimmung der amerikanischen Militärregierung, zum neuen Bürgermeister von Backnang ernannt womit Rienhardt „arbeitslos“ wurde.9 Kurz danach wurde Rienhardt zum kommissarischen Landrat ernannt. Er wurde Beauftragter des Landes und besaß somit die höchste Stufe der staatlichen Autorität, da es zu dieser frühen Zeit noch keine zentrale Verwaltung in Deutschland gab.10
Seine Ernennung zum Landrat, ließ Rienhardt erst am 8. Juni 1945 verkünden, obwohl er zu diesem Zeitpunkt schon einen Monat als kommissarischer Landrat hatte arbeiten können.
Zusammenbruch des Dritten Reichs und dessen Folgen
Am 8. Mai 1945 (Tag der Befreiung oder VE-Day)11 brach das Dritte Reich zusammen und die folgenden politischen Grundsätze und Ziele der Alliierten traten in ganz Deutschland in Kraft:12
- Deutschland soll vollständig abgerüstet und entmilitarisiert werden
- Abschaffung der gesamten Industrie, die zur Kriegsproduktion diente
- Beseitigung von konzentrierter Wirtschaft und Monopolen
- Auflösung der NSDAP und ihrer Gliederungen
- Aufhebung von Nazi-Gesetzen
- Verhaftung und Verurteilung der Kriegsverbrecher
- Die Entnazifizierung Deutschlands
- Umstellung des Erziehungs- und Gerichtswesen auf demokratische Strukturen
- Dezentralisierung der Verwaltung
- Umgestaltung des Politischen Lebens auf demokratischer Grundlage
Diese Punkte wurden vom Kontrollrat der Alliierten, den Oberbefehlshabern der einzelnen Besatzungszonen, vereinbart, wobei in den jeweiligen Besatzungszonen jeder Befehlshaber nach seinem eigenen Ermessen Entscheidungen fällen konnte.13
Provisorische Beiräte
Die Situation der nicht vorhandenen Zentralbehörden überforderte die Bürgermeister und Landräte, und man war auf die Mithilfe der Mitbürger angewiesen. Ab Mai 1945 bildeten diese in vielen Orten so genannte Beiräte, welche den Stadtvorstehern als Beratung zur Seite standen. Außerdem waren sie oftmals ein Bindeglied zwischen den Bürgermeistern und der Bevölkerung bzw. der amerikanischen Militärregierung und der Bevölkerung.14
Das Treffen der Landräte
Am 20. Juni 1945 wurde im Murrhardter Gasthof Sonne-Post, unter Leitung von Rienhardt, eine Konferenz abgehalten. Diese war von Oberst William Dawson, welcher Landeskommandant der US-Militärregierung war, genehmigt worden.15 Dort trafen sich die Landräte der amerikanisch besetzten Gebiete. Außerdem war es das erste überregionale Treffen dieser Art.
Bei dieser ersten Diskussionsrunde wurde offiziell die Frage nach Schaffung von Arbeitsplätzen erörtert. Zusätzlich wurden auch während der fünfstündigen Diskussion viele Sorgen und Nöte mit einer, zur damaligen Zeit bemerkenswerter Offenheit, zur Sprache gebracht. Oberst Dawson, selbst nicht anwesend, war sehr zufrieden bezüglich des Treffens und sprach schon vom ersten Sprießen der Demokratie!16
Daraus entwickelte sich mit der Zeit eine Art Vorparlament17, denn die Landräte trafen sich nachfolgend in:
- Schwäbisch Gmünd (11. Juli 1945),
- Ludwigsburg (15. August 1945),
- Bad Boll (bei Göppingen, 10. Oktober 1945),
- Schnait (heute Weinstadt, 23. November 1945).
Weg vom Nationalsozialismus, hin zur Volksdemokratie
Kurz vor Ende des Juni 1945, wurde von der antinazistische Bevölkerung Backnangs ein Brief an Captain George D. Burchell aufgesetzt. Dieser war für die Errichtung der zukünftigen Militärregierung im Landkreis Backnang zuständig. Im Brief stand folgendes:
„Dass die Männer, die heute noch an der Spitze von Stadt und Kreis Backnangs stehen (Rienhardt (Landrat) und Hörger (Bürgermeister)), mit dem Makel nationalsozialistischer Tätigkeit und Gesinnung in der Vergangenheit belastet sind und längst nicht mehr das Vertrauen der breiten Schichten der Backnanger Bevölkerung genießen. (…)Die unterzeichneten Bürger aller Stände der Stadt Backnang betrachten es als ihre vornehmste Aufgabe, die Militärregierung in dem Bemühen zu unterstützen, Stadt- und Landkreis Backnang von allen Nazieinflüssen zu säubern und einer wirtschaftlichen, geistigen und kulturellen Wiedergesundung entgegen zu führen. Nach unserer Meinung kann das nur gesehen, wenn an der Spitze von Stadt und Kreis Backnanger Männer stehen, die auch in der Vergangenheit durch ihren Einsatz bewiesen haben, dass es ihnen mit der Beseitigung des Nationalsozialismus und einer Wiedergesundung des Volkes nach den Prinzipien einer wahren Volksdemokratie ernst ist. (…)“18
Anhand dieses Schreibens erkennt man sehr gut die Veränderung der politischen Kultur Backnangs: Weg vom Nationalsozialismus, hin zur Volksdemokratie! Der Brief enthielt außerdem noch Vorschläge für die Neubesetzung für das Amt des Bürgermeisters und des Landrats in Backnang.19
Kandidaten für das Amt des Landrats:
- Max Denker (Gewerkschaftssekretär in Stuttgart, wohnhaft in Burgstall, politisch aktiv: bei der SPD als Parteimitglied)
- Willy Riexinger (Kaufmann, wohnhaft in Backnang, seither politisch eher inaktiv)
- Richard Pflüger (Studienrat, wohnhaft in Backnang, seither politisch eher inaktiv)
Kandidaten für das Amt des Bürgermeisters:
- Eugen Wohlfarth (Angestellter, wohnhaft in Backnang, politisch aktiv: bei der SPD als Parteimitglied
- Karl Bauer (Studienrat, wohnhaft in Backnang, seither politisch eher inaktiv)
- Eugen Beck (Landwirt, wohnhaft in Backnang, seither politisch eher inaktiv)
Merkwürdig ist daran, dass zuerst jeweils ein politisch aktiver Kandidat und dann zwei politisch unbekannte, aber dennoch in Backnang bekannte Personen, aufgelistet wurden.
Neue Bürgermeister und Landräte ab Juni 1945
Vielleicht auf Grund dieses Schreibens, aber sicherlich wegen seiner nationalsozialistischen Vergangenheit (siehe ab 2.1) wurde Rienhardt Ende Juni 1945, Anfang Juli 1945 durch Josef Schäfer, früherer Bürgermeister von Gschwend, als Landrat ersetzt.
Ob die Militärregierung auf das obige Schreiben einging ist unbekannt, denn am 16. Juni 1945 wurde Wilhelm Hörger durch Friedrich Tränkle abgelöst und zum neuen kommissarischen Bürgermeister ernannt, obwohl er zuvor nicht zur Debatte stand.20 Als sein Stellvertreter bestimmte die amerikanischen Militärregierung Eugen Wohlfarth. Josef Schäfer dagegen, wurde seines Amtes enthoben, weil er, nach Aussage der amerikanischen Militärregierung das Vertrauen seiner Mitarbeiter und der Zivilbevölkerung verloren hatte.21 Tränkle übernahm sein Amt und wurde somit vom kommissarischen Bürgermeister zum kommissarischen Landrat von Backnang.
Friedrich Tränkle (*1886 in Großaspach) war von 1932 bis 1939 selbstständiger Bauingenieur im heutigen Moçambique, genauer in Beira (Süd-Ost Afrika) und kam, kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zurück nach Deutschland.22
Zum kommissarischen Bürgermeister in Backnang wurde Wohlfahrt ernannt.23 1902 wurde er in Backnang geboren und arbeitete nach seinem Besuch in der Volks- und Gewerbeschule, von 1919 bis 1923 als Schreiner in Backnang. 1924 besuchte er die Heimvolkshochschule in der Nähe von Gera (Thüringen), kam aber im selben Jahr noch zurück und arbeitete von da an in Backnang als Lagerist in der Verbrauchergenossenschaft.24 Er kandidierte zur Gemeinderatswahl 1928 erstmals für die KPD, wurde aber nicht gewählt.25 Bei einem erneuten Versuch, drei Jahre später, gelang ihm aber der Sprung in den Backnanger Gemeinderat.26
Nachdem Wohlfarth im Januar und Februar 1933 aus politischen Gründen verhaftet wurde, beendete der Ausschluss der kommunistischen Gemeinderäte aus dem Backnanger Stadtparlament am 23. März 1933 endgültig seine kommunalpolitische Tätigkeit.27 Weitere Haftaufenthalte im Juni 1933, Mai 1934, November 1939 und im August 1944 in Backnang und Stuttgart wie auch im Konzentrationslager Welzheim folgten. Ebenfalls aus politischen Gründen wurde im Dezember 1933 sein Arbeitsplatz bei der Verbrauchergenossenschaft gekündigt. In einer Backnanger Lederfabrik kam er dann, nach viermonatiger Arbeitslosigkeit, Ende April 1934 als Arbeiter unter Er konnte sich als Angestellter hocharbeiten und blieb dort bis zum Kriegsende.
Am 23. August 1945 wurde er dann mit der Amtsbezeichnung Stadtamtmann zum Beamten auf Lebenszeit ernannt. Des Weiter wurde ihm die freie Stelle als Ratschreiber übertragen. Nachdem dann auch noch durch Pension der Standesbeamte von Backnang ausschied, übernahm Wohlfahrt auch dessen Aufgabe, da alle vier bisherigen Stellvertreter auf Grund ihrer Angehörigkeit zur NSDAP entlassen worden waren.
Gründung des offiziellen Beirats
Da sie sich jeder gesetzlichen Grundlage entzogen, bereiteten die ab Mai 1945 gegründeten Beiräte Kopfzerbrechen, für die inzwischen in Stuttgart entstandene Landesverwaltung des Inneren.28 Eine einfache Abschaffung war nicht möglich, da die Bevölkerung nach zwölf Jahren der vorenthaltenen Beteiligung in der Gemeindeverwaltung nun das Bedürfnis zur Mitbestimmung hatte. Außerdem entsprach dies den Vorstellungen der Amerikaner, welche in zahlreichen veröffentlichten Äußerungen29 propagierten, dass der Aufbau der neuen Regierung von unten nach oben erfolgen sollte.
Daraufhin entschloss man sich in der Stuttgarter Landesverwaltung dazu am 22. August 1945 eine Verordnung zu erlassen in der es heißt:
„Um diesem Bedürfnis nach öffentlichem Einfluss bis zu der Zeit, da die allgemeinen Wahlen wieder eine volle Selbstverwaltung der Gemeinden schaffen werden, Rechnung zu tragen, sieht sich die Landesverwaltung des Inneren dazu veranlasst, den Bürgermeistern des Landes in gesetzlich tragbarem Rahmen auf Grund des § 106 der Deutschen Gemeindeverordnung Beiräte von einheitlicher Form beizugeben.“30
Die mit dieser Verordnung vereinheitlichten Beiräte stellen damit den ersten Schritt zu einer Beteiligung der Öffentlichkeit am politischen Leben zumindest der Gemeinden dar.31
Mit Zustimmung der Militärregierung bildete sich im August, unter Leitung von durch Bürgermeister Tränkle, aus den Reihen der ehrenhaften, aufbauwilligen und verantwortungsbewussten Männer ein Gremium32, dessen zwölf Mitglieder sich am 6. September 1945 mit Tränkle und seinem Stellvertreter Wohlfahrt trafen.33
Genannt wurde dieses Gremium „vorläufiger Gemeinderat“. Es musste aber nach einem Erlass des Landrats vom 14. September 1945 in einer weiteren Sitzung im Oktober 1945 ordnungshalber in „Beirat“ umbenannt werden, da es sich hierbei um ein beratendes Gremium und nicht um einen beschließenden Gemeinderat handelte.
Dadurch änderte sich aber nichts an der Zusammensetzung der Mitglieder. Dies waren Hermann Aichholz, Robert Ehret, Wilhelm Gläser, Eugen Hackenschuh, Gotthilf Heller, Albert Kopp, Hermann Lachenmaier, Richard Pflüger, Matthäus Träg, Franz Hopfensitz, Eugen Häberlin und Rudolf Weiß.
Ohne ein öffentliches politisches Amt während der Weimarer Republik vertreten zu haben, gehörten Robert Ehert und Hermann Lachenmaier der in eine alte SPD-Familie einheiratete, der SPD an. Von den letzten drei ist bekannt, dass sie die KPD als Gemeinderäte im Backnanger Rathaus vor der nationalsozialistischen Machtergreifung vertraten.34 Vom Rest des Beirats lassen sich aus den Unterlagen keine früheren Parteizuordnungen feststellen.
Dieser Beirat des Backnanger Bürgermeisters tagte zwischen September 1945 und Februar 1946 insgesamt sechsmal - etwa einmal je Monat. Im Dezember wurden aber, auf Grund der anstehenden ersten Gemeinderatswahlen nach Kriegsende, zwei Sitzungen gehalten.
Die Rolle der Parteien
Wiederzulassung der Parteien
KPD und SPD wurden durch einen von ihnen gestellten Wiederzulassungsantrag am 6. November 1945, zunächst auf Widerruf, erneut genehmigt.35 An die bei der Genehmigung geknüpften Bedingungen hatten sich die Parteien strikt zu halten, wollten sie die Zulassung nicht entzogen bekommen.36
Als Sicherheitsmaßname mussten dem örtlichen Hauptquartier der Militärregierung halbmonatliche eidesstattliche Finanzberichte über die geflossenen Gelder vorgelegt werden. Außerdem mussten die Parteivorsitzenden alle Veränderungen innerhalb der Partei, sei es in Personalangelegenheiten oder sei es im Sitz der Parteileitung sofort melden. Umzüge politischer Parteien blieben ausnahmslos verboten. Ebenso war das Tragen von Uniformen, Abzeichen oder Armbinden den Parteimitgliedern untersagt. Verhielten sich die Parteien nach ihrer Zulassung militaristisch, undemokratisch und den alliierten Interessen widersprechend oder gefährdeten sie die militärische Sicherheit und die Aufrechterhaltung der Ordnung konnten die Parteierlaubnis jederzeit widerrufen werden. Wollte man eine öffentliche Versammlung oder Diskussion veranstalten, so musste man unter Angabe des Ortes, der Zeit, des Zweckes und aller Namen der Redner und dessen Adressen ein Schreiben bei der örtlichen Militärregierung einreichen.
Gestattet wurde den Parteien Mitglieds- und Sammelbeiträge für entstandene Ausgaben und für die Verteilung von Literatur einzufordern. Handzettel, Flugblätter oder ähnliche Parteischriften unterlagen strengen Genehmigungsvorschriften, welche den Ort des Druckes, an einem amtlich registrierten Drucker, die Anzahl der Veröffentlichungen, das Layout bzw. die Form und sogar den Inhalt bestimmten.37
Über die SPD
Eine Woche nachdem am 13. November 1945 die SPD und die KPD wieder erlaubt wurden, folgten 23 Parteifreunde, der Einladung Hermann Lachenmaiers zu einer vorbereitenden Besprechung der ersten Mitgliederversammlung.38 Lachenmaier wurde bei der ersten offiziellen Mitgliederversammlung zum Vorsitzenden und Wilhelm Traub zum Schriftführer gewählt. Wann diese war ist den Quellen nicht zu entnehmen.39
Über die Wiederzulassung der KPD sind, auf Grund nicht vorhandener Quellen, keine weiteren Details vorhanden. Albert Buchmann (Maschienenbauer, 51 Jahre) forderte den Zusammenschluss der KPD mit der SPD. Dieser kam nicht zustande, da führende SPD-Mitgliedern in Backnang wie zum Beispiel Wilhelm Traub, der ca. drei Monate hinter der russischen Front war, einen ganz klaren Trennungsstrich zum Kommunismus zogen.
Über die CSV/CDU
Im Gegensatz zu diesen zwei Arbeiterparteien lassen sich die Neuanfänge der Christlich-Sozialen Volkspartei (CSV) bzw. nach der Umbenennung im Jahr 1946 genannten Christlich Demokratischen Union (CDU) in Backnang gut nachvollziehen.
Es trafen sich schon während der letzten Kriegsmonate, gleich gesinnte Männer um religiöse Fragen und politische Probleme zu diskutieren. Dabei folgten sie dem Vorbild der sich im Nachkriegs-Stuttgart abzeichnenden Bildung einer christlich, konfessionellen nicht gebundenen Partei durch Vertreter des ehemaligen Zentrums, des Christlichen Volksdienstes und des Bauern-und Weingärtnerbundes.43
In Backnang warb man bei Teilnehmern dieser Kreise und christlich eingestellten Bürgern für die Gründung eines Kreisablegers einer derartigen Partei. Für das Zustandekommen war hauptsächlich der 51-jährige Konstruktionsingenieur Karl Limbeck verantwortlich, welcher vor 1933 Ortsvorsitzender des Zentrums war. Dies hatte in Backnanger aber geringe Bedeutung, da Backnang überwiegend evangelisch war und somit das Zentrum nie großen Stimmenanteil bei Wahlen hatte. Vor Hitlers Machtergreifung hatte das Zentrum zwischen den Jahren 1928 und 1932 nie mehr als 3,6 Prozent der Stimmen erhalten.44
Neben Limbeck fanden sich sieben weitere Männer in dessen Privatwohnung zur Gründung der CSV Orts- und Kreisgruppe Backnang am Sonntag, den 18. November 1945 ein. Dort präsentierte Kurt Pohl, ein 30-jähriger Diplom-Volkswirt, einen ersten Entwurf von Leitsätzen. Dieser orientierte sich an Veröffentlichungen der Stuttgarter, Kölner und Frankfurter Gesinnungsmitglieder und war an die lokalen Verhältnisse von Backnang angepasst worden.
Folgende Leitsätze waren in diesem Entwurf verankert:
- Rechtsgleichheit
- Religions-, Meinungs-, Vereins-, Versammlungs-, und Tariffreiheit
- Freiheit der Künste, Wissenschaften und der Schulwahl
- Recht auf Privateigentum
- Staatliche Schutz der Familie
- Föderalismus der Länder
- Selbstverwaltung der Gemeinden
- Förderung der industriellen und landwirtschaftlichen klein- und mittelständischen Unternehmen
- Ein auf das ganze Volk umzulegenden Lastenausgleich der Kriegsschäden
- Allgemeines, gleiches, geheimes und direktes Wahlrecht
Ein weiterer Punkt der Tagung war die Wahl des Vorstandes, der die Parteigeschäfte bis zur ersten ordentlichen Mitgliederversammlung führen sollte. Zum 1. Vorsitzenden wurde Karl Limbeck gewählt, zum 2. Vorsitzenden Alois Baumann und zum Kreisgeschäftsführer Kurt Pohl. Beendet wurde die Tagung mit der Aufforderung, evangelische Christen von der unbedingten Notwendigkeit der Zusammenarbeit zum Aufbau eines christlichen Staatswesens zu überzeugen.
Noch im November wurde der Antrag auf die Genehmigung einer Parteigründung bei der amerikanischen Militärregierung eingereicht. Am 12. Dezember 1945 wurde dieser bestätigt.
Über die DVP
Über die DVP liegen kaum Daten über Gründungsaktivitäten vor. Es fielen aber den amerikanischen Beobachtern erstmals im Dezember 1945 erste Formierungsversuche der DVP auf.45 Erst im Juni 1946 gelang es der DVP eine Niederlassung in Backnang zu gründen, da die früheren Parteimitglieder bis auf wenige Ausnahmen zwischen 1933 und 1945 zur NSDAP wechselt hatten.46
Die Leitung in Backnang hatte der 69-jährige Lederfabrikant Carl Robitschek47, der vor 1933 der DDP angehörte und in den Jahren 1928 und 1931 jeweils erfolglos für den Gemeinderat in Backnang kandidiert hatte.48 Robitschek bekam lediglich von wenigen, älteren und zumeist vor 1933 der DDP angehörigen Mitgliedern Unterstützung, da er gesundheitlich angeschlagen war und deshalb nicht auf Wahlkampfveranstaltungen auftreten konnte. Die Jugend war in der die DVP nicht vertreten.49
Mitgliederzahlen und Finanzen der Parteien von Anfang bis Mitte 1946
Das Schaubild zeigt die Anzahl der Parteimitglieder von Anfang bis Mitte 1946.50 Die Zahlen über den Balken stellen die Mitgliederanzahlen der jeweiligen Parteien dar. Während die Mitglieder der KPD von Januar bis Juni 1946, von 73 auf 140 stiegen, wurden sie von der SPD überholt, deren Zahl von 50 auf 280 stieg. Die Mitgliederzahl der CSV/CDU blieb niedrig, und stieg von 22 auf 45. Die DVP war erst im Juni mit 9 Mitgliedern vertreten.
Auffällig dabei ist, dass die beiden Arbeiterparteien KSPD und SPD einen hohen Organisationsgrad besaßen, wobei sie im Vergleich zu ihren Konkurrenten viel starker auf ihre Parteimitglieder aus der Weimarer Republik zurückgreifen konnten. Der Mangel an Mitgliedern der neugegründeten Parteien lässt sich darauf zurückführen, dass die Bevölkerung, die schlechte Erfahrungen mit der NSDAP immer noch vor Augen.
Denselben Berichten ist auch die finanzielle Entwicklung zwischen Januar und Juni 1946 zu entnehmen. Die Zahlen über den Balken stellen die finanziellen Rücklagen der jeweiligen Parteien in Reichsmark dar. Die KPD steht mit 1.031 RM im Januar und 2.153 RM im Juni, finanzielle durchweg am besten da, obwohl sie nicht die meisten Wähler hatte. Noch verwunderlicher ist, dass die Backnanger KPD keine einzige Reichsmark an Mitgliedsbeiträgen zwischen Januar 1946 und Juli 1946 verbuchte.51 Die SPD erhöht ihre finanziellen Mittel von 403 auf 1223 RM und bleibt damit finanziell an zweiter Stelle. Die CSV/CDU erhöht von 175 auf 204 RM und die DVP verfügt im Juni über 278 RM.
Die ersten demokratischen Wahlen nach Kriegsende
Die erste Gemeinderatswahl nach Kriegsende
Die USA hatte die Vorstellung einer von unten nach oben aufbauenden Demokratie. Deshalb stellte ihnen General Dwight D. Eisenhower, trotz der vollzogenen Einsetzung von Beiräten im September 1945, baldige Wahlen in Aussicht.52
Mitte September 1945 wurde durch den stellvertretenden amerikanischen Militärgouverneur Lucius D. Clay ein ausgearbeiteter Terminplan vorgelegt. Dieser sah bereits im Januar 1946 die Gemeinderatswahlen, im März 1946 die Kreistagswahlen und im Mai 1946 die Wahlen in den größeren Stadtkreisen vor.53
Dieser Plan war sowohl innerhalb der amerikanischen Militärregierung als auch von den führenden deutschen Politikern umstritten, da sich die wieder gegründeten Parteien in organisatorischen Schwierigkeiten, wie Papiermangel, Transportproblemen oder dem eingeschränkten Postverkehr befanden und dadurch zu sehr überrumpelt wurden. Auch ein Aufschub der Wahlen, wenigstens auf März oder April 1946, verneinte Clay.54
Durch das Gesetz über die Abschaffung der deutschen Gemeindeordnung von 1935 wurde die deutsche Gemeindeverordnung vom nationalsozialistischen Führerprinzip befreit womit praktisch wieder das alte württembergische Kommunalwahlsystem der Weimarer Republik galt. Damit waren die rechtlichen Voraussetzungen für die Gemeinderatswahlen am 27. Januar 1946 geschaffen. Der Unterschied zu den Wahlen während der Weimarer Republik war, dass 1946 alle und nicht wie 1933 nur die Hälfte der Gemeinderäte gewählt werden mussten.55
Bei der Wahl wurde die Amtsdauer auf zwei Jahre festgelegt und alle politisch Belasteten wurden von der passiven sowie der aktiven Wahl ausgeschlossen. Politisch Belastete waren Personen, die vor dem 1. Mai 1937 in die NSDAP eintraten und alle aktiven, auch nach dem 1. Mai 1937 eingetretenen Mitglieder, Parteifunktionäre oder Amtsträger. Wählen und gewählt werden konnte somit jede politisch unbelastete Person, welche das 21. Lebensjahr vollendet hatte und mindestens einen einjährigen Aufenthalt in der Gemeinde vorweisen konnte.56
Für die am 27. Januar 1946 angesetzte Wahl der 24 Gemeinderäte stellten sich insgesamt 70 Kandidaten. 23 Kandidaten von der CSV, weitere 23 von der KPD und 24 von der SPD wobei die Wahlvorschläge der SPD und KPD als einziger Wahlvorschlag galt, der nur bei kniffligen Sitzverteilungsproblemen Vorteile erbrachte.57 Dies bedeutete aber nicht, dass die beiden Parteien ihre Kandidaten auf einer „gemeinsamen Liste“ präsentierten, schließlich wurden hinterher alle drei Parteien getrennt abgerechnet.58
Mit nur drei weiblichen Kandidatinnen (4,3 Prozent der gesamten Kandidaten), waren die Frauen im Vergleich mit der Bevölkerungsmehrheit im Kreis Backnang deutlich unterrepräsentiert.59 Von den 13.300 Einwohnern Backnangs waren 6.806 wahlberechtigt.60 Hiervon machten 6.081 Personen Gebrauch, was einer Wahlbeteiligung von sagenhaften 89,3 Prozent entsprach. Abgegeben wurden 5.617 Stimmzettel. Daraus ergeben sich bei 24 Stimmen je Wähler 134.808 gültige Stimmen wobei tatsächlich nur 128.208 Stimmen gezählt wurden, welches 6.600 Fehlstimmen entsprach.
Dadurch bekam die CSV 59,9 Prozent der Stimmen, gefolgt von der SPD mit 26,3 Prozent und die KPD mit 14,1 Prozent.61 Im Gemeinderat ergaben sich somit umgerechnet folgende Sitzverteilung: 15 Sitze für die CSV, 6 für die SPD und 3 Sitze für die KPD. Vom 12-köpfigen Beirat des Bürgermeisters wurden 7 in den Gemeinderat gewählt. Für die CSV waren dies Hermann Aichholz und Gotthilf Heller, für die KPD Eugen Häberlin und Frank Hopfensitz und für die SPD Robert Ehret, Hermann Lachenmaier und Rudolf Weiß.
Drei der ehemaligen Beiräte stellten sich nicht zur Wahl auf und lediglich Albert Kopp, auch Beiratsmitglied, wurde nicht in den Gemeinderat gewählt.
Als einziger nicht von der amerikanischen Militärregierung als Gemeinderat bestätigt wurde Theodor Braendle (CSV), welcher im Dritten Reich als Untergruppenführer des Reichluftschutzbundes tätig war.62 Als Braendles Ersatz rückte Wilhelm Häusermann nach. Damit setzte sich der Gemeinderat aus 12 Selbstständigen, 7 Arbeitern und 5 Angestellten zusammen.
Der Erfolg der CSV/CDU
Für den großen Erfolg der CSV waren vor allem die angesehenen Persönlichkeiten die für sie kandidierten verantwortlich. So kandidierten unter anderem der Leiter des Backnanger Arbeitsamtes (Karl Limbeck), ein Studienrat (Karl Maneval), der Chef eines der größten Betriebe in Backnang (Hermann Kaelble) und der Direktor der Backnanger Kreissparkasse (Wilhelm Kopp) für die CSV, womit diese eine breite Wählerschaft ansprechen konnte. Hinzu kamen auch noch mehrere selbstständige Handwerksmeister oder Landwirte. Mit Eugen Dietermann63 stellte die CSV sogar noch einen Kandidaten der auch die „jüngeren“ Wähler ansprach.
Die Listen der SPD und KPD waren sehr schichtspezifisch auf die Arbeiter und kleineren Angestellten bezogen wodurch diese Parteien bei der breiten Masse der Wählerschaft wenig oder keinen Rückhalt fand. Außerdem hinkte die DVP soweit zurück, dass sie keinen Gemeinderatskandidaten aufstellen konnte. Dies trug auch wesentlichen Anteil am Wahlsieg der CSV. Ein weiterer Grund für die Wahl der CSV könnte die allgemeine Furcht der Bevölkerung vor einem kommunistischen Russland gewesen sein.
Nachfolgend verklang die während des Wahlkampfes andauernde Rivalität der Parteien und der Gemeinderat wandte sich den wichtigen kommunalen Verwaltungsangelegenheiten zu, sei es der Entwurf, die Beratung oder die Verabschiedung einer eigenen Geschäftsordnung, sei es die Aufstellung eines Haushaltsplanes, sei es die Einstellung oder Entlassung städtischer Angestellter oder sei es die Beratung über die Durchführung von kulturellen Veranstaltungen, die sich auch auf Tagesordnungen heutiger Gemeinderatssitzungen finden könnten.
Als sich am 7. Januar 1948 schließlich die Backnanger Nachkriegsgemeinderäte zu ihrer letzten Sitzung trafen konnten sie auf 133 Sitzungsstunde, verteilt auf 24 Sitzungen mit insgesamt 551 Verhandlungspunkten zurückblicken.64
Die ersten Bürgermeisterwahlen in Backnang nach Kriegsende
Die im Januar gewählten Gemeinderäte traten am 11. März 194665 zu ihrer ersten öffentlichen Gemeinderatssitzung zusammen, auf welcher sie der kommissarische Bürgermeister Eugen Wohlfarth (KPD) per Handschlag zur gewissenhaften Erfüllung ihrer Aufgaben verpflichtete. Es folgte eine im Auftrag der CDU-Fraktion vom Gemeinderat Karl Limbeck abgegebene Erklärung, in der er unter anderem keinen Zweifel daran ließ, dass die CDU in Anbetracht ihres hervorragenden Wahlergebnisses zukünftig keinen kommunistischen Bürgermeister in Backnang dulden würde:
„(…) Es wäre eine absolute Verneinung der Grundsätze der Demokratie, die doch auch von den Linksparteien herbeigesehnt wird, wollten wir das Amt des Bürgermeisters in der Hand eines Mitgliedes einer Partei belassen, die nur etwa 14 Prozent der am Wahltag abgegebenen Stimmer für sich erreichen konnte (…).“66
Gleichzeitig sprach sich Limbeck aber gegen eine engstirnige Parteiführung aus.67 Weiter wurden die bei der Stadt eingegangenen Bewerbungen, für die auf den 14. März 1946 festgelegten Termin der Bürgermeisterwahl, bekannt gegeben. Neben dem seither kommissarisch tätigen Amtsinhaber Wohlfarth, hatten auch Karl Limbeck und ein gewisser Dr. Walter Baumgärtner, Rechtsanwalt aus Stuttgart, ihre Kandidatur angemeldet. Der Gemeinderat widmete sich nun dem bisher unbekannten Baumgärtner, welcher in aller Kürze über seine Rechtsanwaltstätigkeit während des dritten Reichs Auskunft gab und die näheren Hintergründe seiner Kandidatur bekannt gab. Nach eigenen Angaben war er politisch ungebunden und wandte sich auf der Suche nach einer geeigneten Stelle in der kommunalen Verwaltung an seinen alten Bekannten Wilhelm Kopp, dem kommenden starken Mann der Backnanger CDU, zu. Mit ihm verband er eine bis in die 20er Jahre zurückliegende Freundschaft.68 Kopp hatte Baumgärtner von den Bemühungen der CDU um einen Fachbürgermeister erzählt, woraufhin sich dieser für eine Bewerbung in Backnang entschied.69
Am darauf folgenden Donnerstag, den 14. März 1946, wurde zwischen 16.00 und 16.45 Uhr von den Gemeinderäten der neue Backnanger Bürgermeister unter Aufsicht der Vertreter der amerikanischen Militärregierung gewählt. Zwischenzeitlich hatte aber Karl Limbeck seine Kandidatur zurückgezogen da der von Kopp vorgeschlagene Baumgärtner den Vorstellungen der CDU-Fraktion eher entsprach.70
In einer geheimen Abstimmung wurde Baumgärtner mit allen 15 Stimmen der CDU-Gemeinderäte und durch die Amerikaner bestätigt, zum neuen Backnanger Bürgermeister gewählt. Der ehemalige Bürgermeister Wohlfarth bekam die restlichen 9 Stimmen: 6 von der SPD und drei von der KPD.71 Zwei Wochen darauf wählte man Hermann Kaelble (für die CDU) und Hermann Lachenmaier (SPD) zu Baumgärtners ersten bzw. zweiten Stellvertreter.
Am 1. April 1946 trat Baumgärtner im Beisein von Captain Panettiere und Landrat Tränkle, der ihn im Auftrag des Innenministeriums und Kraft eigener Amtstätigkeit auf die gewissenhafte Erfüllung seiner Aufgaben verpflichtete, sein Amt an.72
Die zweite Bürgermeisterwahl 1948
Da, wie auch die des Gemeinderats, Baumgärtners erste Amtszeit wegen unklarer politischer Verhältnisse auf zwei Jahre beschränkt war, fand im Februar 1948 erstmal nach Kriegsende eine Bürgermeisterwahl durch die Bevölkerung statt. Hierbei triumphierte Baumgärtner obwohl sich sechs weitere Kandidaten gemeldet hatten.73 Sie hatten jedoch keine Chancen gegen ihn, da sie weder aus Backnangs Umgebung stammten, noch von den Backnanger Parteien nominiert worden waren. Zwei Bewerber zogen sogar noch ihre Kandidatur zurück.74
Zur Vorstellung der Kandidaten am 21. Februar 1948 im voll besetzten Backnanger Bahnhofshotel75 (ca. 400 Sitzplätze) kamen nur Baumgärtner und der Journalist Rolf Nonnenmacher.
Am 29. Februar 1948 wurde Baumgärtner mit 95,5 Prozent der gültigen Stimmen, bei einer Wahlbeteiligung von 54,73 Prozent, wiedergewählt. Von den 5.095 gültigen Stimmen fielen auf Nonnemacher 181, auf Dr. Erwin Zeisel 25, auf Hans Leistner 15 und auf Joachim Hasper 8. Die Restlichen 4.866 Stimmen gingen alle an Baumgärtner.
Literatur- und Quellenangabe
Bücher
- Blumenstock, Friedrich: Der Einmarsch der Amerikaner und Franzosen im nördlichen Württemberg im April 1945. Stuttgart: 1957.
- Borsdorf, Ulrich: Analysen des US-Geheimdienstes über Positionen und Strukturen deutscher Politik 1945. Weinheim: Beltz, Athenäum, 1995.
- Gutjahr, Hans-Joachim: Duden Abiturwissen Geschichte.
- Maier, Reinhold: Ein Grundstein wird gelegt. Die Jahre 1945 bis 1947. Tübingen: 1964.
- Petschuch, Dieter: Die Jahre des Politischen Wiederbegins in Backnang 1945-1946. In: Backnanger Jahrbuch 4, 1996. Hrsg. von Stadt Backnang u.a. Backnang: 1996.
- Sauer, Paul: Demokratischer Neubeginn in Not und Elend. Das Land Württemberg-Baden von 1945-1952.
- Schmitt, Karl: Die CDU im Landesbezirk Nordwürttemberg, in: Die CDU in Baden-Württemberg und ihre Geschichte, hg. von Paul-Ludwig Weinacht, Stuttgart 1978.
- Schnabel, Thomas: Württemberg zwischen Weimar und Bonn 1928 bis 1945/46.
Internet
Sonstiges
- 100 Jahre SPD Ortsverein Backnang.
- Amtsblatt.
- Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Findbuch J 170 Bü 2.
- Historical Report (December 1945).
- Mitteilungen des Württembergischen und Badischen Statistischen Landesamtes. Nr. 1 Stuttgart 1946.
- Monthly Political Activity Report.
- Murrtal-Bote.
- Schriftenreihe des Heimat und Kunstvereins Backnang. Band 6.
- Special Political Intelligence Report Kreis Backnang.
- Staatsarchiv Ludwigsburg, Findbuch EL 901/3 Bü 23.
- Stadtarchiv Backnang: Gemeinderatsprotokolle.
- Stadtarchiv Backnang: Schülerarbeit.
- Wie wählte Württemberg-Baden?
- Württembergisches Zeitecho/Backnanger Nachrichten.
- Festschrift der Backnanger CDU zum 50-jährigen Bestehen des Stadt- und ehemaligen Kreisverbandes Backnang.
Fußnoten
- Wikipedia: „Politische Kultur“.
- Petschuch, Dieter: Die Jahre des Politischen Wiederbegins in Backnang 1945-1946. In: Backnanger Jahrbuch 4, 1996. Hrsg. von Stadt Backnang u.a. Backnang: 1996, S. 107.
- Petschuch, Dieter: S. 107.
- Petschuch, Dieter: S. 107.
- Petschuch, Dieter: S. 108.
- Schriftenreihe des Heimat und Kunstvereins Backnang. Band 6. S. 216 ff.
- Siehe Teil „Besetzung und Besatzung der US-Amerikaner“.
- Blumenstock, Friedrich: Der Einmarsch der Amerikaner und Franzosen im nördlichen Württemberg im April 1945. Stuttgart: 1957, S. 197.
- Falls nicht anders vermerkt, sind die nachfolgenden Angaben über Wilhelm Hörger aus dessen Personalakte auf dem Backnanger Rathaus entnommen.
- Petschuch, Dieter: S. 110 ff.
- Wikipedia: „Zweiter Weltkrieg“.
- Gutjahr, Hans-Joachim: Duden Abiturwissen Geschichte. S. 405.
- Gutjahr, Hans-Joachim: S. 406.
- Petschuch, Dieter: S. 127 ff.
- Sauer, Paul: Demokratischer Neubeginn in Not und Elend. Das Land Württemberg-Baden von 1945-1952. S. 31.
- Maier, Reinhold: Ein Grundstein wird gelegt. Die Jahre 1945 bis 1947. Tübingen: 1964, S. 31.
- Maier, Reinhold: S. 35.
- Stadtarchiv Backnang: Schülerarbeit. S. 48-50 (Das exakte Datum dieses Schreibens ist unbekannt, da es aus einer Schülerarbeit des Max-Born-Gymnasiums entnommen wurde, wobei die Verfasser keine Datumsangaben verwendeten. Außerdem wurde es nicht unterzeichnet, wodurch sich demnach auch keine Rückschlüsse ziehen lassen, wer die antinazistische Bevölkerung Backnangs war).
- Stadtarchiv Backnang: Schülerarbeit S. 49 ff.
- Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Findbuch J 170 Bü 2; Staatsarchiv Ludwigsburg, Findbuch EL 901/3 Bü 23.
- Historical Report (December 1945); Stadtarchiv Backnang: Schülerarbeit, S. 47.
- Staatsarchiv Ludwigsburg, Findbuch EL 901/3 Bü 23.
- Stadtarchiv Backnang: Gemeinderatsprotokoll vom 27. Dezember 1945.
- Aus dessen Personalakte auf dem Backnanger Rathaus entnommen. Nachfolgendes über ihn ebenso.
- Murrtal-Bote vom 11. Dezember 1928.
- Murrtal-Bote vom 8. Dezember 1931.
- Stadtarchiv Backnang: Gemeinderatsprotokoll vom 11. März 1946.
- Schnabel, Thomas: Württemberg zwischen Weimar und Bonn 1928 bis 1945/46. S. 612.
- U. a. Amtsblatt vom 11. August 1945 und 1. September 1945.
- Schnabel, Thomas: S. 612.
- Schnabel, Thomas: S. 612.
- Amtsblatt vom 21. Juli 1945.
- Stadtarchiv Backnang: Gemeinderatsprotokoll vom 6. September 1945.
- Stadtarchiv Backnang: Gemeinderatsprotokoll vom 6. September, 11. Oktober 1945.
- Amtsblatt vom 10. November 1945; 100 Jahre SPD Ortsverein Backnang, S. 37.
- Abschrift des Genehmigungsschreibens der amerikanischen Militärregierung Backnang an die Bewerber für die Organisation der Sozialistischen Partei Kreis Backnang vom 6. November 1945. Aus: SPD Ortsverein Backnang.
- Nachrichtenkontrollanweisung Nr. 2 der amerikanischen Militärregierung Deutschlands zum Gebrauch von Nachrichtenmitteln durch zugelassene politische Parteien. Aus: SPD Ortsverein Backnang.
- Einladungsschreiben Lachenmaiers vom 11. November 1945.
- Politischer Lebenslauf von Wilhelm Traub. Aus: SPD Ortsverein Backnang.
- Borsdorf, Ulrich: Analysen des US-Geheimdienstes über Positionen und Strukturen deutscher Politik 1945. Weinheim: Beltz, Athenäum, 1995, S. 159, 258 ff.
- Politischer Lebenslauf von Wilhelm Traub. Aus: SPD Ortsverein Backnang.
- Festschrift der Backnanger CDU zum 50-jährigen Bestehen des Stadt- und ehemaligen Kreisverbandes Backnang (Dies bildet die Basis für die nachfolgende Zusammenfassung).
- Schmitt, Karl: Die CDU im Landesbezirk Nordwürttemberg, in: Die CDU in Baden-Württemberg und ihre Geschichte, hg. von Paul-Ludwig Weinacht, Stuttgart 1978, S. 137–162.
- Murrtal-Bote vom 21. Mai 1928, 15. September 1930, 1. August 1932, 7. November 1932.
- Historical Report (December 1945).
- Monthly Political Activity Report (1. July 1946).
- Heinz: S. 186, 194.
- Special Political Intelligence Report Kreis Backnang vom 15. Januar 1947; Murrtal-Bote vom 5. Dezember 1928, 24. November 1931.
- Special Political Intelligence Report Kreis Backnang vom 15. Januar 1947.
- Monthly Political Activity Report vom 18. Januar, 2. Februar, 30. März, 1. Mai, 1. Juli, 1. August 1946.
- Schnabel, Thomas: S. 626.
- Amtsblatt vom 22. September 1945.
- Schnabel, Thomas: S. 634.
- Schnabel, Thomas: S. 634.
- Schnabel, Thomas: S. 634 ff.
- Schnabel, Thomas: S. 635 ff.
- Amtsblatt vom 23. Januar 1946.
- Amtsblatt vom 28. Januar 1946
- Mitteilungen des Württembergischen und Badischen Statistischen Landesamtes. Nr. 1 Stuttgart 1946. S. 18 ff.
- Wie wählte Württemberg-Baden?, S. 25.
- Wie wählte Württemberg-Baden?, S. 25.
- Stadtarchiv Backnang: Gemeinderatsprotokoll vom 11. März 1946.
- Stadtarchiv Backnang: Schülerarbeit, S. 68.
- Württembergisches Zeitecho/Backnanger Nachrichten vom 10. Januar 1948.
- Stadtarchiv Backnang: Gemeinderatsprotokoll vom 11. März 1946.
- Stadtarchiv Backnang: Gemeinderatsprotokoll vom 11. März 1946.
- Stadtarchiv Backnang: Gemeinderatsprotokoll vom 11. März 1946.
- Festschrift der Backnanger CDU zum 50-jährigen Bestehen des Stadt- und ehemaligen Kreisverbandes Backnang.
- Stadtarchiv Backnang: Gemeinderatsprotokoll vom 11. März 1946.
- Festschrift der Backnanger CDU zum 50-jährigen Bestehen des Stadt- und ehemaligen Kreisverbandes Backnang.
- Stadtarchiv Backnang: Gemeinderatsprotokoll vom 28. März 1946.
- Stadtarchiv Backnang: Gemeinderatsprotokoll vom 1. April 1946.
- Amtsblatt vom 14. Februar 1948.
- Württembergisches Zeitecho/Backnanger Nachrichten vom 25. Februar 1948; Amtsblatt vom 21. Februar 1948.
- Württembergisches Zeitecho/Backnanger Nachrichten vom 25. Februar 1948; Amtsblatt vom 21. Februar 1948.
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