Familien- und Bewusstseinsstrukturen

„Das autoritäre Denken aus dem Kaiserreich übernommen

Die Erziehung war nicht ohne Autorität der Erzieher denkbar, denn Autorität meint nichts anderes, als dass die Erzieher, also in erster Linie die Eltern, Ansehen und Einfluss bei den Kindern haben. Erziehung ist Vermittlung von Lebenserfahrung. Dabei gingen die Eltern jeweils von ihren eigenen Lebenserfahrungen aus, und die sind nicht bei allen Eltern die gleichen. In der Vergangenheit herrschte ein patriarchalischer und autoritärer Erziehungsstil, dass heißt, es wurde mit Strenge erzogen, Widerspruch der Kinder wurde nicht geduldet. Das entsprach den allgemeinen Normen der damaligen Gesellschaften und bereitete Kinder auf das Leben in diesen Gesellschaften vor. Der Vater fühlte sich für das Wohlergehen seiner Kinder im stärksten Maße verantwortlich. Als Gegen-leistung für seine Fürsorge erwartete er Dankbarkeit und Gehorsam. Da er sich an Erfahrungen und Wissen überlegen fühlte, hielt er es nicht nur für sein Recht, sondern auch für seine Pflicht, das Verhalten der Kinder bis ins letzte vorzubestimmen. Er bestimmte weitgehend den Beruf der Kinder, er suchte ihre Spielkameraden danach aus, ob sie auch zum Umgang geeignet seien, er bestimmte die Zeiteinteilung des Tagesablaufes und auch bei der ehelichen Partnerwahl des Kindes, vor allem der Tochter, hatte er ein gewichtiges Wort mitzureden. In der Zeit der NSDAP wurde Kameradschaft groß geschrieben, deshalb fühlte man sich stark. An dem beschriebenen Tagesablauf in der NAPOLA sieht man dieses Denken auch, es wurde für jede Minute etwas geplant, die Jugendliche mussten gehorchen, dass sah man überall, ob in den einzelnen Familien oder eben auch in der NAPOLA, wo sie unter der Woche nicht bei ihren Eltern waren. Damals war es nicht denkbar, dass die Kinder so vernachlässigt werden, wie das heutzutage oft der Fall ist.

Außerdem sollte der Sohn Hitler gut dienen und dem Vaterland keine Schande bereiten.“

Das Führerprinzip

Das Führerprinzip verpflichtete nach dem Motto „Führer befiehl, wir folgen“ zu blindem Gehorsam und bedingungsloser Treue gegenüber Hitler als dem obersten „Führer“ und die jeweilige Gefolgschaft zu Gehorsam gegenüber den Befehlen der Führer auf mittlerer und unterer Ebene. Das Führerprinzip war unter Berufung auf Hitlers Buch „Mein Kampf“ als Gegensatz zu jeder Art von demokratischer Entscheidung und Mitbestimmung formuliert und fand im Kult um die Person Adolf Hitlers seinen höchsten Ausdruck.

Die Führergewalt war umfassend und total. Sie vereinigt in sich alle Mittel der politischen Gestaltung, sie erstreckt sich auf alle Sachgebiete des völkischen Lebens und erfasst alle Volksgenossen, die dem Führer zu Treue und Gehorsam verpflichtet waren.

Das Führerprinzip galt nicht nur im politischen und sozialen Bereich, auch die Wirtschaft wurde nach dem Prinzip von Befehl und Gehorsam gelenkt. Dem „Betriebsführer an der Spitze der Firma in Industrie, Gewerbe, Handel, Bankwesen“ oblagen alle Entscheidungen, er war zugleich Vorsitzender des „Vertrauensrats“, der an die Stelle des demokratischen Betriebsrats getreten war und keine Mitwirkungsrechte hatte.

Die Nationalpolitische Erziehungsanstalt (NAPOLA) in Backnang

Im April 1933 wurden die ersten Nationalpolitischen Erziehungsanstalten (NEPA’s oder NAPOLA’s) in Plön, Köslin, und Potsdam vom Reichserziehungsminister Rust gegründet. Wesentliche Aufgabe der Anstalten war, die Jungen in einer mehrjährigen Internatserziehung auf die Übernahme von Führungspositionen im Staat vorzubereiten. Vorbilder waren vor allem die englischen Public Schools sowie Bestrebungen der Landschulheimbewegung, der Reformpädagogik und der Jugendbewegung.

Das Seminar
Das Seminar.

Speziell Backnang

Die Nationalpolitische Erziehungsanstalt Backnang wurde als 11. Anstalt im Reich (dritte außerhalb Preußens), am 2. Mai 1934 vom württembergischen Kulturminister Mergenthaler gegründet und im Gebäude des ehemaligen Lehrerseminars in Backnang untergebracht. Sie unterstand zunächst sieben Jahre lang dem württembergischen Ministerium. Im Rahmen eines Festaktes in Backnang im April 1941 wurden die außerpreußischen Anstalten, also auch die Backnanger Anstalt, in die Zuständigkeit des Reichs überführt, sie waren damit direkt dem Reichserziehungsministerium unterstellt. Gleichzeitig wurde Backnang zur Vollanstalt mit acht Oberschulklassen ausgebaut.

Im Gründungschuljahr 1934/35 gehörten 123 Jungen der Anstalt an, im Jahr 1937/38 waren es ca. 170 Jungen. Ein enormer Anstieg, der sich aber im Laufe der Jahre wieder, insbesondere in den Kriegsjahren, auf 130 Jungen verringerte. Ingesamt dürften von 1934 bis 1945 ca. 600 Jungen der Backnanger Anstalt angehört haben. 400 von ihnen, die über 18-Jährigen, waren im Krieg, wovon 150 nicht mehr heim kamen.

Anstaltsleiter war von Anfang an Dr. Reinhold Gräter, dem die Backnanger Anstalt ihr besonderes Gepräge verdankte, das auf manchen Gebieten mit einem englischen College vergleichbar war. Alle Erzieher sahen ihre Aufgabe in der Lebens- und Erziehungsgemeinschaft, in der begabte Schüler in klarer und fester Lebensführung zu geistiger Leistungsfähigkeit und Verantwortungsfreude erzogen werden sollten. Der normale Tagesablauf in der NAPOLA Backnang hielt sich im Bereich militärischer Drill in Grenzen. Besonderer Wert wurde auf peinliche Ordnung und Sauberkeit gelegt, sei es Gemeinschaftseinrichtungen, sei es in persönlichen Bereichen wie Schränken und Pulten oder auch bei der Kleidung.

In diesem Rahmen entwickelte sich ein Gemeinschaftsleben, für das Kameradschaftlichkeit, Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit, Hilfsbereitschaft und Rücksichtsnahmen charakteristisch waren. Neben einer Reihe besonderer Ausbildungsgebiete wie Segelfliegen, Motorsport, Fechten oder Reiten und einer Vielzahl gemeinsamer Unternehmungen wie z.B. Erntehilfen oder Fahrten im Inland und Ausland, zum Teil auch mit anderen Anstalten gemeinsame Sommerübungen und Sommerlager hatten die Jungs viele Möglichkeiten, individuelle Neigungen und Begabungen nachzugehen (z.B Gartenarbeit, Schreiner-, Schlosser-, Buchbinderarbeit oder sogar Tierpflege).

Die Nationalpolitischen Erziehungsanstalten waren keine Einrichtungen der NSDAP oder einer ihrer Organisationen. Auch war die Ausbildung dort nicht auf den Führungsnachwuchs der Partei ausgerichtet. Der klaren Haltung des Anstaltsleiters war es zu verdanken, dass ein Einfluss der NSDAP auf die Backnanger Anstalt abgewendet werden konnte.

Dieser Ansicht des Verfassers von „NEPA-Eine Erinnerung“ (ausliegend im Stadtarchiv Backnang) muss ich aber widersprechen. Im Murrtalboten (Ausgabe 4. Mai 1934) wurde zur Eröffnung ein langer Bericht geschrieben, bei dem die Ansichten der Leute erheblich anders waren. Hier hieß es:

„So erhebt sich für die Schule die entscheidende Aufgabe, Unterführer für alle Gebiete des Lebens heranzubilden und die fähigsten Köpfe auszulesen, die das hinterlassene Erbe zu bewahren wissen. Das Fundament der Anstalt ist die national-sozialistische Weltanschauung, gegründet auf das Primat der Rasse, der Ehre, des Vaterlandes. Es handelt sich nicht um verständnismäßige Schulung. Die Schule hat die Aufgabe, jungen Menschen aus allen Schichten des Volkes zum Aufstieg zu verhelfen. Das Erziehungsideal ist die Kameradschaft und Volksverbundenheit. Für den jungen Deutschen sind Ehre, Freiheit, Vaterland, Rasse, Volkstum die höchsten ideale. Für den Lehrer der Anstalt bedeutet es die höchste Ehre, die deutsche Jugend betreuen zu dürfen.

Die die Erhaltung der deutschen Macht zum Ziel hat. Es soll eine Pflichtbewusste Jugend aus der Anstalt hervorgehen, die auf den Führer schaue, ernste Männer, die sich als Kämpfer und die Erhaltung der Nation bewähren und die man im Staat, in der Gemeinde und in der Wissenschaft brauchen kann. Möge es gelingen, aus der Jugend dem Führer Kämpfer zu stellen, zur Fortführung des Kampfes für das deutsche Volk. Ein 3-faches Sieg-Heil auf den Führer und das Vaterland!“

Das hört sich für mich ganz anders an. In der NAPOLA in Backnang wurde auf diese Punkte hingearbeitet und nichts anderes. Es ist komisch, dass einige Leute (in diesem Fall ist es Dr. Rolf Königstein) anscheinend den Sinn der Schule in Backnang verfälschen möchte, fragt sich warum?

Die Auswirkungen des Krieges auf das Anstaltsleben zeigten sich vor allem an der kleinen Zahl von Erziehern, die zum Teil nur vorübergehend nicht beim Wehrdienst waren, zur Verfügung standen. Fahrten oder Motorsport waren da natürlich nicht mehr so wie früher möglich. Im April 1945 wurde die Anstalt ins Kleine Walsertal verlegt und wenige Tage später hörte die Nationalpolitische Erziehungsanstalt Backnang in diesem Sinne auf zu existieren. Sie wurde nur kurze Zeit später als Flüchtlingslager verwendet, stand danach einige Zeit leer, und ist heute eine Realschule.

Allgemein

Es hieß aber, die jungen Männer, die diese Anstalten (NAPOLAs) verlassen, haben grundsätzlich Zugang zu allen Berufen. Sie werden so erzogen, dass sie dem Volke in führenden Stellen dienen können. Die Nationalpolitischen Erziehungsanstalten nehmen Jungen auf, welche die vier Grundschulklassen durchlaufen haben, so dass der Eintritt im gleichen Alter wie in die erste Klasse einer Haupt- oder Oberschule erfolgt. Das Hauptaugenmerk liegt auf tüchtigen und fleißigen Jungen.

Der Erziehungsbeitrag, den die Eltern zu leisten hatten, richtete sich nach dem Einkommen, der Kinderzahl und nach den gesamten Familienverhältnissen der Jungen und bewegte sich zwischen 0 und 1.800 RM (Reichsmark). Dafür erhielt der Junge in der Anstalt Unterricht, Wohnung, Verpflegung und Kleidung usw.. Familien die viele Kinder haben und somit „fleißig“ waren, wurden speziell gefördert. Diese Finanzspritze war von Nöten, denn nur so konnten die richtig begabten und klugen Köpfe in die NAPOLA geholt werden.

In den Ferien durften, vor allem die jüngeren Jahrgänge, die Ferien zu Hause verbringen. In den oberen Klassen wird ein Teil der Ferien, z.b. durch Auslandsfahrten und Betätigung in der Landwirtschaft in Anspruch genommen. Die Erwartungen an die Schüler waren aber generell ziemlich hoch. Wie schon erwähnt, war das kein normales Internat, sondern war eine Formationserziehung.

Der Tagesablauf an der NAPOLA

Der Tagesablauf an der NAPOLA Backnang war äußerst gedrängt. Fast jede Minute – von frühmorgens bis in den späten Abend – war zur Gewährleistung der Anstaltsausbildung verplant. Lediglich in den knappen Mittagspause zwischen dem Mittagessen und dem Beginn des Nachmittagsunterrichts wurde den Jungendlichen während der Schultage ein wenig Freizeit eingeräumt, und auch diese wenige freie Zeit wurde häufig für Einzel- und Gruppenarbeiten oder für sportliche Betätigungen eingesetzt: Ein Hornsignal verkündet am Morgen, dass in fünf Minuten die Mannschaft zum Frühsport antritt.

Das ist im Winter um 6.15 Uhr, im Sommer um 5.45 Uhr. 6.50 Uhr stehen die Jungen zum Morgenappell vor dem Haus, daran schließt sich das Frühstück aus einem Haferbrei an. 7.15 Uhr beginnt der Unterricht. Nach drei Kurzstunden ist eine größere Pause eingeschaltet. Sie wird eingeleitet mit 10 Minuten Turnen zur Auflockerung, die übrigen 15 Minuten gehören dem zweiten Frühstück, einer Flasche Kakao oder gestandener Milch mit Knäckebrot. Drei weitere Stunden vergehen, bis 12.20 Uhr das Läuten zum Antreten ertönt. Dann werden Anordnungen bekannt gegeben, Post wird ausgegeben usw. Der Unterricht beginnt wieder um 14.15 Uhr; 15.45 ist eine Kaffeepause. 19.05 ist Schluss, 19.15 Uhr ist Nachtessen. Um 21 Uhr ist Appell auf den Stuben, dann versammelt sich alles vor dem Rektorat zum Abendsingen, während ein Hornsignal der Stadt den Abschluss der Tagesarbeit kund tut. Um 22 Uhr ist alles im Bett. In den Schlafräumen herrscht Schweigen, damit die Kameraden (damit sind die Jungen gemeint), die schon vorher ins Bett gingen, auch wirklich schlafen können.

Schüler in der NAPOLA
Schüler in der NAPOLA.

Filme über die NAPOLA

Wenn Sie sich weiter über die NAPOLAS informieren möchten, kann ich ihnen zwei Filme empfehlen:

Hitlerjunge Salomon

Nach der Autobiographie von Salomon Perel. Sally, der Sohn polnisch-jüdischer Eltern, aber in Deutschland geboren, wird mit seinem Bruder nach Polen und in ,Sicherheit‘ geschickt. Beim Einmarsch deutscher Truppen fliehen die Brüder weiter, aber nur Sally erreicht die russische Grenze. Dort verbringt er die ersten Kriegsjahre in einem russischen Waisenhaus, das schließlich doch von der deutschen Armee überrannt wird. Den deutschen Offizieren gegenüber behauptet er, Deutscher zu sein und man glaubt ihm. Er wird sogar von einem Offizier adoptiert und zurück nach Deutschland geschickt, um eine National Politische Erziehungsanstalt (NAPOLA) zu absolvieren. Seine Abenteuer mit diesen verschiedenen Völkerstämmen, die sich gegenseitig bekämpfen, ist mit sehr viel Humor erzählt. Man achte besonders auf die symbolische Verwendung der Naturelements: Wasser, Luft und Feuer. Der Film sollte für eine Oskar-Verleihung konkurrieren, doch einigen deutschen Kultusministern war das Thema zu brisant und sie sagten ab (Spielfilm, 1991, Farbe, 115 Min).

NAPOLA

Im Kriegswendejahr 1942 beschließt der 16-jährige Friedrich (Max Riemelt), sehr zum Entsetzen seiner kritisch denkenden Eltern, zum Zwecke der persönlichen Reife eine nationalsozialistische Elitebildungsanstalt zu besuchen. Zunächst ist Friedrich begeistert von der Aufbruchstimmung und den dort gebotenen Möglichkeiten. Als er allerdings den sensiblen Albrecht (Tom Schilling) und dessen ebenso analytische wie pazifistische Denkweise kennen lernt, keimen Zweifel an des Führers Herrlichkeit (Drama, 2004, Farbe, 115 Min).

Die Kirchen

Die Kirche hatte eine große Bedeutung während des NS-Regimes. Ca. 90 Prozent der Backnanger Bürger waren evangelischen Glaubens, so spielten neben dem Dekan, die Pfarrer ebenso eine respektable Rolle im öffentlichen Leben.

Die „Deutschen Christen“

Die „Deutschen Christen“ (DC) waren eine rassistische, antisemitische und am Führerprinzip orientierte Gruppierung innerhalb des deutschen Protestantismus von 1932 bis 1945, die diesen an die Ideologie des Nationalismus angleichen wollte. Die Gruppierung wurde 1932 gegründet und gewann seit Juni 1933 die Leitung einiger Landeskirchen in der „Deutschen Evangelischen Kirche“ (DEK). Mit ihrer Gleichschaltungspolitik und dem Versuch, durch die Übernahme des Arierparagraphen in die Kirchenverfassung Christen jüdischer Herkunft auszuschließen, löste sie den Kirchenkampf mit anderen evangelischen Christen aus. Diese gründeten daraufhin 1934 die „Bekennende Kirche“, welche die „Deutschen Christen“ als Häretiker betrachtete und aus der Kirchengemeinschaft ausschlossen.

1932 gründete der Berliner Pfarrer Joachim Hossenfelder die Glaubensbewegung „Deutsche Christen“ als innerevangelische Kirchenpartei für das ganze Reich. Auch in Backnang existierte eine solche DC-Gruppe. In den „Richtlinien“ der DC hieß es:

  • Wir sehen in Rasse, Volkstum und Nation uns von Gott geschenkte und anvertraute Lebensordnung. [..] Daher ist es der Rassenvermischung entgegenzutreten. [..]
  • In der Judenmission sehen wir eine schwere Gefahr für unser Volkstum. Sie ist das Eingangstor fremden Blutes in unseren Volkskörper.

Zu ihrem im Sommer 1932 veröffentlichten Programm gehörte ferner:

  • die Auflösung der von Synoden regierten 28 Landeskirchen, die in ihrem Bekenntnis frei waren, und Schaffung einer nach dem Führerprinzip strukturierten „Reichskirche“,
  • der Ausschluss der Judenchristen,
  • die „Entjudung“ der kirchlichen Botschaft durch Abkehr vom Alten Testament,
  • Reduktion und Umdeutung des Neuen Testaments,
  • die „Reinhaltung der germanischen Rasse“ durch „Schutz vor Minderwertigen“,
  • die Vernichtung des „volksfeindlichen Marxismus“.

Der Kirchenkampf in Backnang

Nach dem Tod des bis dahin amtierenden Dekans, übernahm Pfarrer Bihlmaier, ein Anhänger der NS-treuen „Deutschen Christen“, dessen Posten. Neben Bihlmaier und Gauß, ebenfalls ein NS-Anhänger und ebenfalls Mitglied im Verband „Deutscher Christen“ wie auch der Backnanger SA. Goes stand, eben weil er kein NS-Anhänger war, unter ständiger Überwachung der NS.

Die Kirche spielte zu dieser Zeit jedoch eine zwiespältige Rolle. Zum einen versuchte die NS die Stellung dieser zu schwächen, zum anderen jedoch dennoch Einfluss auf sie auszuüben. Dies wurde auch bei der Gemeinderatswahl, bei der die NSDAP ihre Anhänger aufrief die „Deutschen Christen“ zu unterstützen, deutlich. Für die NSDAP kandidierte der Bürgermeister Backnangs, Dr. Albert Rienhardt.

Die Einmischung war möglich, da die protestantische Kirche, im Gegensatz zur katholischen, keine außerdeutschen Beeinflussungen hatte und deshalb anfälliger für staatliche Einmischung war. Mit Hilfe der „Deutschen Christen“ sollte eine fest organisierte „Deutsche evangelische Kirche“ anstatt eines lockeren „Deutschen evangelischen Kirchenbundes“, bestehend aus 18 Landeskirchen, erstellt werden. „Reichsbischof“ Ludwig Müller übernahm unter Hitlers Billigung die Leitung der Staatskirche. Dabei ging er soweit, „nichtarische“ Stellen der Bibel verbieten zu lassen und schließlich getaufte Juden aus der Kirche auszuschließen.

Doch es gab auch Gegner. Der „Pfarrernotbund“, unter der Führung von Pastor Niemöller, wehrte sich gegen die Eingriffe in das Christentum. Später entwickelten sie sich zur „Bekennenden Kirche“. Diese zwei Parteien entzweiten von 1933 an die deutschen Kirchen, später bekannt als „Kirchenkampf“.

Backnang blieb weitgehend verschont, bis auf Predigten in SA-Uniform seitens Gauß der sich daraufhin, auf Verlangen von Dekan Bihlmaier, hauptsächlich auf Predigten im NSDAP-Gebäude beschränkte.

Jedoch hatten diese vorausgegangen Ereignisse deutliche Auswirkungen auf die Zahlen der Kirchenaustritte, die 1939 schon 1 Prozent der Bevölkerung ausmachten.

Auf die Jugend hatte die Kirche keine großen Einfluss, zumal die Messetermine meist mit Pflicht-Sportveranstaltungen der NPEA überschnitten waren. Auch die Konfirmation wurde hier nicht maßgeblich beeinflusst, bis auf das Tragen der HJ-Uniform, was zwar keine Pflicht, jedoch anstand war.

Backnanger Schuldbekenntnis

Ein Backnanger Schuldbekenntnis der Evangelischen Kirche gab es erst 1995. Der damalige Dekan Ulrich Warth beteiligte sich namens der Evangelischen Kirche an einem Demonstrationszug unter dem Motto „8. Mai 1995 Für Gerechtigkeit und Frieden“ anlässlich des Endes des Zweiten Weltkrieges vor 50 Jahren.

Die Backnanger Kreiszeitung vom 8. Mai 1995 führte dazu aus: „An der nächsten Station des Demonstrationszugs, an der Stiftskirche, sprach Dekan Ulrich Warth zu den Teilnehmern. Zu keiner Zeit der vergangenen Kriege habe es an „mahnenden Stimmen gefehlt.“ Doch viele Christen hätten mitgemacht beim Faschismus, auch hier in Backnang. Selig sind die, die zu Frieden bereit sind, die Frieden stiften“, sagte der Dekan abschließend, „das werden die Kinder Gottes sein.“

Die Zeitung

Es war damals die einzige Zeitung der Stadt Backnang und den angrenzenden Gemeinden. Der „Murrtal-Bote“ gab zusätzlich keineswegs eine objektive, sondern eine höchst subjektive Meinung über die politischen Verhältnisse ab. Die Ängste gegen die kommunistischen Kreise wurden bewusst in einer regelmäßigen Rubrik geschürt, welche „Locker sitzt der Revolver“ hieß. Dort wurden alle kommunistischen Gewalttaten der Stuttgarter Gegend präzise dargestellt. Außerdem erhielt der „Murrtal-Bote“ sehr viele Informationen von der Presseagentur „Telegraphunion“, welche einer Pressegruppe um Alfred Hugenberg angehörte.

Da der „Murrtal-Bote“ die Einzige in Backnang erscheinende Zeitung war und da die Zeitung bereits 1832 erschien und damit einhundertjährige Tradition hatte, war es für die meisten Backnanger selbstverständlich (egal welcher politischer Herkunft) den „Murrtal-Bote“ zu lesen. Ob und wie vielen Backnangern die Mechanismen einer einseitigen Beeinflussung durch die Presse überhaupt bewusst war, ist eine offene Frage. Man weiß genauso wenig, wie viele auswärtige Zeitungen damals in Backnang gelesen wurden.

Nur in parteipolitisch ausgesprochen engagierten Familien las man auswärtige Blätter, aber die meisten Backnanger hatten einfach nicht die finanziellen Mittel, eine auswärtige Zeitung zu kaufen. Fakt ist aber, dass aber auch andere Zeitungen in Kneipen auslagen.

Interessant ist, dass Dr. Rolf Königstein wie auch der Archivar Herr Trefz behaupten, es gäbe einzig und allein den Murrtalboten, andere Zeitungen gab es nicht in Kneipen, dass wäre unvorstellbar gewesen. Fragt sich nur, ob dies auf Unwissen oder auf Verfälschung der Fakten hinausläuft.

Hier die Ansicht eines normalen Bürgers über den „Murrtal-Bote“, dies war eine verbreitete Ansicht:

„Ich habe mir niemals die Frage über die Zuverlässigkeit und Genauigkeit der Informationen des „Murrtal-Boten“ gestellt. Wir hatten Vertrauen in diese Zeitung. Eine Zeitung, und am wenigsten der „Murrtal-Bote“, konnte nach unserer Ansicht auf keinen Fall ihre Leser belügen. Was schwarz auf weiß gedruckt war, musste für uns richtig sein. All das, was im „Murrtal-Boten“ geschrieben wurde, war für uns die volle Wahrheit.2

Ich finde es sehr erschreckend, dass niemand gedacht hätte, dass sie eigentlich belogen werden. Ich meine, ich bin mir ja auch bewusst, dass vieles in den RTL-News falsch rübergebracht wird, aber zur damaligen Zeit hat man wahrscheinlich noch anders gedacht und man wäre nie auf die Idee gekommen, dass die News falsch sein könnten.

Alles in Allem kann man sagen, das der „Murrtal-Bote“ überwiegend aus Propaganda bestand. Zum Beispiel wurden die politischen Neuigkeiten immer gut geredet. Es gab sehr viel Werbung zu deutschen Firmen, so war in fast jeder Zeitung Werbung für Karl Kaeble oder für das Filmtheater Backnang enthalten.

Titelseite des Murrtal-Boten
Titelseite des Murrtal-Boten.

Schon am Titel „Nationalsozialistisches Tageszeitung“ erkennt man, dass dies eine Zeitung der NSDAP war, eine die überwiegend aus Propaganda bestand. Seit 1915 war Friedrich Stroh alleiniger Schriftleiter im Murrtalboten, nachdem er sich bei Kriegsbeginn verletzt hatte und daraufhin nicht mehr für den Kriegsdienst in Frage kam. Des Weiteren gehörte ihm die Druckerei am Ölberg. Sein jüngerer Bruder Emil übernahm 1914 die Funktion eines Stellvertretenden Schriftstellers. Nach dem Krieg waren beide Brüder als Herausgeber und Verleger tätig. Seit Anfang der 30er Jahre bezog der Murrtal-Bote seinen Mantel (Überregionaler Teil) vom (deutschnationalen) Hugenberg-Konzern.

Als Zeitungsverleger stand Friedrich Stroh von Anfang 1933 im Visier der Nationalsozialisten. Denn deren Umwalzung des politischen Systems zielte konsequent darauf ab, die bürgerliche Pressefreiheit zu beseitigen.

Im August 1933 wurden die Verleger Friedrich und Emil Stroh in Backnang unter Druck gesetzt. Dr. Weiss (Zeitungsverleger der NS) legte den Gebrüdern Stroh einen Vertrag vor, mit 24 Stunden Bedenkzeit.

Punkte die in dem Vertrag aufgeführt waren:

  • Die NS-Presse Württemberg G.m.b.H stellt für die sich ständig wiederholenden Beilagen Matern zur Verfügung
  • Die Firma Stroh verpflichtet sich, das zum Zeitungsdruck notwenige Material nicht bei jüdischen Lieferanten zu kaufen.
  • Die Firma Stroh übernimmt den Druck der wöchentlich 6-mal erscheinenden 4-spaltigen Zeitung bei vollständigem Eigensatz des Hauptteils.

Am 23. September 1933 wurde vor einem Stuttgarter Notar der Vertrag zwischen Dr. Weiss von der NS-Presse Württemberg und Friedrich und Emil Stroh abgeschlossen, der die Gründung einer Firma NS-Presse Backnang G.m.b.H zum Inhalt hatte. Dr. Weiss wurde alleiniger Geschäftsführer, damit verlor das Verlagshaus Stroh auch jede Einflussnahme auf den redaktionellen Teil des Blattes.

Damit war der Murrtalbote der NS-Presse Württembergs vollkommen ausgeliefert und ab dem 21. März 1934 wurde der Murrtalbote „Nationalsozialistische Tageszeitung“ genannt. Allen Anschein nach hat es Friedrich Stroh hart getroffen, aber ein Punkt ist merkwürdig. Dr. Rienhardt (Bürgermeister von Backnang) legte Wert darauf, dass Friedrich Stroh dem Gemeinderat angehört. Obwohl der Verlag Stroh von der NS-Presse überrumpelt wurde, wurde Friedrich Stroh 1935 ehrenamtlich zum zweiten Beigeordneten der Stadt ernannt. Dr. Rienhardt sagte nach dem Krieg aus, er habe Friedrich Stroh benötigt, weil er ein angesehener und in der Verwaltung erfahrener Bürger gewesen sei. Es ist „etwas“ komisch, dass Friedrich Stroh, obwohl er seinen Posten im Verlag an die NS-Presse abgegeben musste, diese Stelle annahm. So eine schlechte Verbindung konnte er zur NSDAP also nicht gehabt haben.

Wie nun begründet wurde, erhielt der Murrtalbote also sehr viele Informationen von der NS-Presse. Alfred Hugenberg hatte einen hohen Rang in dieser Presselandschaft.

Informationen zu Alfred Hugenberg und der Harzburger Front

Alfred Hugenberg war Wirtschaftsführer und Politiker und lebte vom 19. Juni 1865 bis 12. März 1951. Bevor er in die Zeitungsbranche kam, war er z.B. Verbandsdirektor der Raiffeisengenossenschaft in Posen, danach Vortragender Rat im preußischen Finanzministerium.

Durch das Zusammenfassen großer Tageszeitungen, des Scherl Verlags, von Nachrichtenagenturen (z.B Telegraphen Union), Anzeigeunternehmen und Filmgesellschaften schuf Hugenberg seit 1916 einen marktbeherrschenden Medienkonzern (Hugenbergkonzern), den er seit 1918 politisch gegen das parlamentarisch-demokratische System der Weimarer Republik einsetzte. Bei Krupp ausgeschieden, gehörte Hugenberg seit 1918 der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) an und war ein Jahr später Mitglied der Nationalversammlung und danach des Reichstags.

Als Vorsitzender der DNVP (1928 bis 33) führte er seine Partei in der so genannten Harzburger Front, in enge Zusammenarbeit mit der NSDAP. Hugenberg war in der Regierung von Hitler von Januar bis Juni 1933 Reichs- und preußischer Minister für Wirtschaft, Landwirtschaft und Ernährung. Bis 1945 gehörte er, jedoch ohne politischen Einfluss, dem Reichstag an. Mit der Auflösung seiner Partei wurde er zum Rücktritt gezwungen. Später musste er große teile seines Medienkonzerns verkaufen.

Die Harzburger Front bündelte unter Alfred Hugenberg die antidemokratischen Nationalisten gegen das Kabinett Brüning. Adolf Hitlers Sturmabteilung, eine straff organisierte und gewaltbereite Schlägertruppe, war im Bündnis willkommen, um politisch Andersdenkende einzuschüchtern. Die Teilnahme an dem Bündnis machte Hitler in den konservativen, deutschnationalen Kreisen salonfähig und gilt als großer Schritt zur späteren Machtergreifung.

Fußnoten
  1. Helbig, Ludwig: Politik im Aufriß, S. 8 ff.
  2. Alfred Dirr NSDAP-Kreisleiter in Backnang. Verfasser: Dr. Rolf Königstein; Aussage vom 03. Dezember 1992.

Achtung, diese Schülerarbeit stellt erste, evt. fehlerbehaftete Versuche wissenschaftlichen Arbeitens dar. Haben Sie das Gefühl, dass Ihre Rechte auf jegliche Weise verletzt worden sind, zögern Sie nicht uns anzusprechen.