Die Rolle der Presse

Der Murrtal-Bote

Zeitungen wie der Murrtal-Bote verfolgten offensichtlich nicht das Ziel, objektiv zu informieren. Täglich war von militärischen Erfolgsmeldungen zu lesen, in Gebieten, die der Heimat ständig näher rückten. Es ist daher stark anzunehmen, dass der Murrtal-Bote als Werkzeug der Regierung agierte.

Zensur in der Zeitung

Auf den Titelseiten des Boten sind Schlagzeilen von „Vergebliche Feind-Anstrengungen bei Antwerpen“ bis „Aachen – fürchterlicher Aderlass für die Angreifer“ zu finden. Inwieweit sich die Leser nach all den Kriegsjahren dadurch noch motiviert fühlten, ist nicht bekannt. Was die Regierung damit aber auf jeden Fall erreichte, war eine umfassende Informationskontrolle vor der Bevölkerung. Die Unwissenheit des Volkes auszunutzen, verstand Hitler von Anfang an sehr gut.

Die Zensur umfasste alles, was von den Lesern als Schwäche der Nation aufgefasst werden konnte. Berichte von der Front oder von Angriffen wurden stets ins positive verdreht.1 War das absolut nicht möglich, wurde es einfach verschwiegen. Dokumentierte Bombenangriffe auf Backnang wurden z.B. nicht erwähnt, über sonstige lokale Ereignisse wurde ebenfalls nicht berichtet. Die Nachrichten bezogen sich in der Regel nur auf die Politik und die Regierung wie z.B. im Juli, als von Stauffenbergs Anschlag auf Hitler berichtet wurde:

Das Schicksal erhielt uns unseren Führer – Hinterhältigem Sprengstoffanschlag unverletzt entgangen – Tiefste Dankbarkeit des deutschen Volkes über die Errettung des Führers

20. Juli – Auf den Führer wurde am Donnerstag ein Sprengstoffanschlag verübt. Aus seiner Umgebung wurden hierbei schwer verletzt: Generalleutnant Schmundt, Oberst Brandt, Mitarbeiter Berger. Leichtere Verletzungen trugen davon : Generaloberst Jobl, die Generäle Korten, Buhle, Geusinger, Scherff, die Admirale Doß, von Buttkammmer, Kapitän zur See Abmann und Oberleutnant Borgmann. Der Führer selbst hat außer leichten Verbrennungen und Prellungen keine Verletzung erlitten. Er hat unverzüglich darauf seine Arbeit wiederaufgenommen und – wie vorgesehen – den Duce zu einer längeren Ansprache empfangen. Kurze Zeit nach dem Anschlag traf der Reichsmarschall beim Führer ein.2

Durch Propaganda zum Endsieg

Anfang 1944 waren Meldungen wie „Adolf Hitler wird unseren Kontinent aus der Umklammerung befreien“ noch recht häufig zu finden. Ziel war es, der Bevölkerung noch einen Grund zu geben, daran zu glauben auf dem richtigen Weg zu sein. Gegen Herbst 1944 waren häufiger Artikel wie dieser zu finden:

70 Prozent des Jahrgangs 1928 freiwillig zu den Waffen. Ein eindrucksvolles Zeugnis der Moral, der Einsatzbereitschaft und der Haltung der deutschen Jugend.

Berlin 10. Oktober. Die Nationalsozialistische Parteikorrespondenz meldet: Das aus dem Entschluß der Herzen kommende Bekenntnis zum Einsatz für den Sieg des Reiches ließ die Hitler-Jugend in immer härterem Maße zur Bewegung der jungen Kriegsfreiwilligen werden. ... Zum sechsten Jahr des Freiheitsamtes unserer Nation hat nun der in der Hitler-Jugend erfaßte Jahrgang 1928 ein eindrucksvolles Zeugnis der Moral und der Haltung der deutschen Jugend gegeben.3

Durch solche Darstellungen von kampfbegeisterten 16-Jährigen Jungen erhofften sich die Propagierenden, Mitglieder der Hitlerjugend als Kriegsfreiwillige zu gewinnen. Schon in diesen wenigen Zeilen ist mehrfach von Freiheit, Freiwilligkeit und Moral die Rede. Begriffe, die wir heutzutage in anderem Kontext verwenden. Dies beschreibt er auch in seinem Buch „Mein Kampf“:

„Die Regierung hat versucht, durch Falschmeldungen den Wunsch zu wecken, sich ihr zugunsten ändern zu wollen. Durch dieses wiederholte Darstellen seiner Ziele als Momentansituation, hat es Hitler durch Massenbewegungen immer wieder geschafft, seine Ziele zu erreichen.

Gerade darin liegt die Kunst der Propaganda, dass sie, die gefühlsmäßige Vorstellungswelt der großen Masse begreifend, in psychologischer richtiger Form den Weg zur Aufmerksamkeit und weiter zum Herzen der breiten Masse findet.“

In der Schule mussten die Kinder sogenannte „Kriegstagebücher“ anlegen, in die sie Zeitungsausschnitte hineinkleben sollten. Wir konnten uns von einer Zeitzeugin zwei Exemplare ausleihen. Besonders auffällig sind die durchweg positiven Meldungen, die erstaunlich hohen Zahlen, sowie die geradezu hetzerischen Artikel und Fotos der damals feindlichen Länder. Immer wieder zu finden waren auch Berichte, in denen andere Länder als besonders brutal dargestellt wurden: „Amerikaner mißhandeln Gefangene“ oder im September ein Bericht über einen Fliegerangriff.

Brutale Verletzung des Völkerrechts

Im rückwärtigen Gebiet der Karpatenfront griffen am 9. Sept. mehrere rumänische Flugzeuge mit dem deutschen Hoheitszeichen unter den Tragflächen in brutaler Verletzung des Völkerrechts Flüchtlingskolonnen mit Bombenwürfen an. Die Flüchtlinge kamen aus dem rumänischen Raum und suchten vor dem bolschewistischen Terror Schutz hinter den deutschen und ungarischen Linien. Da die Flugzeuge widerrechtlich die deutschen Hoheitszeichen trugen, glaubten sich die Flüchtlinge vor Angriffen aus der Luft sicher und setzten beim Erscheinen der Flugzeuge ihren Weg fort. Umso schwerer waren die Folgen der Bombenwürfe gegen die marschierenden Frauen, Männer und Kinder. Zahlreiche Tote und Verletzte blieben auf den Straßen liegen.4

Durch solche Artikel wurde die deutsche Bevölkerung massiv gegen den Feind aufgehetzt. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass es tatsächlich rumänische Flugzeuge mit deutschen Hoheitszeichen und keine deutschen Flieger waren, grenzt es an Wahnsinn, in der damaligen Situation in Deutschland andere Länder als Völkerrechtsverletzer hinzustellen. Dieses Bild deckt sich auch mit den Angaben unserer Zeitzeugen, die zur Kriegszeit keine verlässliche Informationen über die Feinde Deutschlands hatten. Viele hatten von den Zeitungsberichten oder Erzählungen Angst, manche andere wiederum sahen den Feind als Erlöser.

Die Rolle des Militärs

Der Volkssturm wird gebildet

Am 19. Oktober 1944 begründete Himmler die Bildung des deutschen Volkssturms und Hitler selbst befahl auf der Titelseite allen waffenfähigen Männern zwischen 16 und 60 den Dienst an der Waffe. „Das Volk steht auf, der Sturm bricht los!“5 Aufruf des Führers an alle Waffenfähigen Männer Berlin, 18. Oktober Der Erlaß des Führers über die Bildung des deutschen Volkssturms hat folgenden Wortlaut:

„Nach fünfjährigen schwersten Kampf steht infolge des Versagens aller unserer europäischen Verbündeten der Feind an einigen Fronten in der Nähe oder an den deutschen Grenzen. Er strengt seine Kräfte an, um unser Reich zu zerschlagen, das deutsche Volk und seine soziale Ordnung zu vernichten. Sein letztes Ziel ist die Ausrottung des deutschen Menschen. Wie im Herbst 1939 stehen wir nun wieder ganz allein der Front unserer Feinde gegenüber. In wenigen Jahren war es uns damals gelungen, durch den ersten Großeinsatz unserer deutschen Volkskraft die wichtigsten militärischen Probleme zu lösen, den Bestand des Reiches und damit Europas für Jahre hindurch zu sichern. Während nun der Gegner glaubt zum letzten Schlag ausholen zu können, sind wir entschlossen, den zweiten Großeinsatz unseres Volkes zu vollziehen. Es muss und wird uns gelingen, wie in den Jahren 1939-1941 ausschließlich auf unsere eigene Kraft bauend, nicht nur den Vernichtungswillen der Feinde zu brechen, sondern sie wieder zurückzuwerfen und so lange vom Reich fernzuhalten, bis ein die Zukunft Deutschlands, seiner Verbündeten und da mit Europa sichernder Friede gewährleistet ist.“ Dem uns bekannten totalen Vernichtungswillen unserer jüdisch-internationalen Feinde setzen wir den totalen Einsatz aller deutschen Menschen entgegen. Zur Verstärkung der aktiven Kräfte unserer Wehrmacht und insbesondere zur Führung eines unerbittlichen Kampfes überall dort, wo der Feind den deutschen Boden betreten will, rufe ich daher alle waffenfähigen deutschen Männer zum Kampfeinsatz auf.

Ich befehle:

  1. Es ist in den Gauen des Großdeutschen Reiches aus allen waffenfähigen Männern im Alter von 16 und 60 Jahren der deutsche Volkssturm zu bilden. Er wird den Heimatboden mit allen Waffen und Mitteln verteidigen, soweit sie dafür geeignet erscheinen.“

Hitler nennt als sein Ziel, Frieden in Europa erreichen zu wollen und begründet seine Kriegsführung mit der Erhaltung des deutschen Volkes, da die „jüdisch-internationalen Feinde“ ihrem Vernichtungswillen den Deutschen gegenüber nachgehen. In Anbetracht der damaligen Situation ist es geradezu anmaßend, so etwas in der Zeitung zu lesen.

Soldaten an der Front

Bei Offizieren und Soldaten setzte der Staat auf Pflichtbewusstsein ihrem Vaterland gegenüber. Auch wurden die Soldaten gegen den Feind aufgehetzt, wobei ein russischer Soldat z.B. allgemein als „Iwan“ bezeichnet wurde. Der Grund für Soldaten an der Front weiterzukämpfen war weniger der Wunsch nach Ehre und Orden oder gar der versprochene Sieg, nachdem insbesondere gegen Kriegsende klar war, dass der Krieg nicht mehr zu gewinnen war, sondern vielmehr den Krieg beenden zu wollen um nach Hause zurückzukehren.

Es gab allerdings auch andere Seiten beim Militär. Zeitzeuge Walter Ortloff deutet an, dass es gerade in den Befehlshabenden Schichten zu schlimmem Missbrauch von Macht kam. Identifiziert mit den Idealen des Regimes haben sich nur sehr wenige, sagt er, einige nutzten ihre Situation um Karriere zu machen, Macht zu gewinnen oder dieselbe auszuspielen. Der einfache Soldat riskierte jedoch sein Leben, falls er etwas dagegen unternahm.

„Die Ausbildung war besonders hart“, erinnert sich Walter Ortloff, „durch den Schlamm robben, mit Gasmaske zum Schießplatz laufen und unmittelbare Bestrafung bei Fehlschüssen. Erst während den Einsätzen, konnte man dann ein gutes Verhältnis zu seinen Vorgesetzten aufbauen“.

Gerade bei den kämpfenden Truppen entwickelte sich eine unglaublich starke Kameradschaft, die sich auch rangübergreifend menschlich auswirkte. Für die meisten kam daher eine Fahnenflucht nicht in Frage, da sie damit ihre Kameraden und ihre Einheit im Stich gelassen hätten. Oft war auch ein Hass gegenüber dem Feind im Spiel, geschürt durch Verlustmeldungen in eigenen Reihen oder gar der Familie.

So auch beim Gefreiten Huber, dessen Familie bei einem Angriff auf Stuttgart ums Leben kam. Auf ein Angebot des Oberleutnants hin auf Sonderurlaub, erwiderte er nur: „Was soll ich zu Hause, wo doch alle tot sind? Die Schwadron ist jetzt meine Heimat.“6

Die Zivilbevölkerung

Wie im Militär, gab es auch für die Zivilbevölkerung einige Orden und Auszeichnungen wie z.B. das Ehrenkreuz der Deutschen Mutter oder die Brosche für den Kriegshilfsdienst des „Weiblichen Arbeitsdienstes“. Damit wurden „Leistungen“ ausgezeichnet, die nach Ansicht der Regierung zielführend waren.

Anfangs versuchten sie die Arbeit für Deutschland mit Ehre in Verbindung zu bringen. Später machten sie es zur Verpflichtung, z.B. durch den Reichsarbeitsdienst RAD. Ihre Strategie führte nun z.B. durch Gedichte und Lieder in Richtung Durchhaltevermögen und Zusammenhalt. In einem Pflichtlied des Arbeitsgaus XXVII aus Karlsruhe, in dem auch Zeitzeuge Ortloff seinen Reichsarbeitsdienst im „W31“ ableistete, heißt es: „Wir schmieden ein neues Geschlecht. Es kennt keine Uneinigkeit, kein Standesunterschied und kein Klassengeist.“7

Literatur- und Quellenangabe

Bücher

  • Peter Steinbach, Johannes Tuchel: Widerstand in Deutschland 1933-1945.
  • Joachim Kannicht: Alte Kameraden.
  • Grenzland Baden: Spaten zur Hand (Vom Werden und Schaffen des Arbeitsgaus XXVII).
  • Kampf ums Dritte Reich.

Zeitungen und Zeitschriften

  • Der Murrtal-Bote, die Ausgaben.
  • Backnanger Kreiszeitung.

Sonstige

  • Senioren-Kurier, S. 30-31.
  • Flugblätter.

Zeitzeugeninterviews

  • Anonym.
  • Bauer, Erich.
  • Buck, Irene.
  • Enchelmayer, Gisela.
  • Enchelmayer, Udo.
  • Hoppe, Iris.
  • Klinger, Dieter.
  • Knödler, Elisabeth.
  • Kübler, Maria.
  • Kübler, Waltraud.
  • Kummer, Else.
  • Laib, Anneliese.
  • Leibold, Elsa.
  • Nerz, Gerhard.
  • Oppermann, Hermann A.
  • Ortloff, Walter.
  • Pfeil, Eleonora.
  • Sauer, Helga.
  • Skarpil, Franz.
  • Tanneberger, Martha.
Fußnoten
  1. Verluste wurden verschwiegen und viele Zahlen erfunden.
  2. Murrtalbote, Ausgabe 21. Juli 1944.
  3. Murrtalbote, Ausgabe 11. Oktober 1944.
  4. Murrtalbote, Ausgabe 11. September 1944.
  5. Murrtalbote, Ausgabe 19. Oktober 1844.
  6. Aus „Alte Kameraden, Bittere Pflichten“, Hrsg. Joachim Kannicht.
  7. Aus „Spaten zur Hand“.

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